Mai 2011

110506

ENERGIE-CHRONIK


Bericht der Reaktor-Sicherheitskommission gibt Entwarnung

Die Reaktorsicherheitskommission hat am 17. Mai das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung aller 17 deutschen Kernkraftwerke vorgelegt, die von der Bundesregierung am 14. März zusammen mit dem "Moratorium" für die sieben ältesten Anlagen angeordnet worden war (110302). Erwartungsgemäß enthält der Bericht keine neuen Erkenntnisse. Er stützt sich ohnehin nur auf die vorliegenden Nachweise und sonstige Angaben der Betreiber. Die Kommission hat also nicht etwa an Ort und Stelle untersucht, ob die Angaben auch zutreffen. Für eine derartige umfassende Untersuchung hätten sowieso die Zeit und das Personal nicht ausgereicht.

Der Bericht zeigt immerhin, daß die Bundesregierung mit ihrem "Moratorium" für die sieben bzw. acht ältesten Kernkraftwerke ziemlich willkürlich vorging, weil die Sicherheit der Anlagen keineswegs von Baujahr oder Reaktortyp abhängt. Zum Beispiel verfügt das älteste KKW Biblis A aus dem Jahr 1974 über einen hervorragenden Hochwasserschutz, den neuere Anlagen wie Grafenrheinfeld oder Grohnde vermissen lassen. Das vier Jahre jüngere KKW Unterweser weist dagegen in diesem Punkt erhebliche Mängel auf: Das Kraftwerksgelände befindet sich auf 1,8 Meter Höhe über Normalnull. Sicherheitstechnisch relevante Gebäude liegen in 4,0 Meter Höhe. Bei einem Deichbruch in Kraftwerksbereich mit einer Länge von 200 m ergäbe sich ein Wasserstand von 3,95 Meter, weshalb das KKW Unterweser keine der drei Sicherheitsstufen beim Hochwasserschutz erfüllt (siehe Tabelle).

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) bewertete den Bericht als "substantielle, sicherheitstechnische Grundlage, um gesellschaftliche und politische Bewertungen und Entscheidungen treffen zu können". Er liefere aber keine Hinweise dafür, sofort aus der Kernenergie aussteigen zu müssen. Es gelte lediglich weiterhin das allgemeine Ziel, "so schnell wie möglich und vernünftig den Weg der Kernenergie zu verlassen und durch erneuerbare Energien und Effizienz zu ersetzen".

 

Die Sicherheit der 17 deutschen Kernkraftwerke gemäß Einstufung durch die RSK
  Erdbeben Hochwasser Stromausfall > 2 Stunden

Kühlwasser-
versorgung

Flugzeugabsturz
(mechanischer Schutz)
Flugzeugabsturz
(thermischer Schutz)
Explosions-
Druckwelle
Grafenrheinfeld 1? 1?/2?/3? 1/2/3? 1 1/2?/3? 1/2?/3? 1
Isar 1 1? 1/2? 1? 1 1/2? 1/2? 1?
Isar 2 1? 1/2/3? 1/2/3? 1 1/2?/3? 1/2?/3? 1
Gundremmingen B 1? 1?/2?/3? 1/2/3? 1 1/2?/3? 1/2?/3? 1
Gundremmingen C 1? 1?/2?/3? 1/2/3? 1 1/2?/3? 1/2?/3? 1
Philippsburg 1 1? 1?/2? 1/2/3? 1/2/3 1?/2? 1?/2? 1?
Philippsburg 2 1? 1?/2? 1/2/3? 1/2 1/2?/3? 1/2?/3? 1
Neckarwestheim 1 1? 1? 1? 1 1/2? 1/2? 1?
Neckarwestheim 2 1/2? 1? 1/2/3? 1,2 1/2?/3? 1/2?/3? 1
Biblis A 1? 1/2/3 1? 1 1?/2? 1/2? 1?
Biblis B 1? 1/2/3 1? 1 1?/2? 1/2? 1
Emsland 1? 1/2/3 1/2/3? 1,2 1/2?/3? 1/2?/3? 1
Grohnde 1? 1?/2? 1/2/3? 1 1/2?/3? 1/2?/3? 1
Unterweser 1?   1/2/3? 1 1/2? 1/2? 1
Brokdorf 1 1? 1/2/3? 1 1/2?/3? 1/2?/3? 1
Brunsbüttel 1? 1? 1/2/3? 1/2/3 1?/2? 1?/2? 1
Krümmel 1? 1/2 1? 1 1/2?/3? 1/2?/3? 1


gggg Erreichen der niedrigsten Sicherheitsstufe möglich, aber bisher nicht nachgewiesen

gggg KKW erreicht die niedrigste Sicherheitsstufe

gggg KKW erreicht mittlere Sicherheitsstufe

gggg KKW erreicht höchste Sicherheitsstufe

gggg KKW erreicht keine der Sicherheitsstufen

(Ein Fragezeichen ? hinter den jeweils genannten Zahlen 1, 2 oder 3  bedeutet, daß die Einstufung möglicherweise erreicht werden könnte, dies aber einer Bestätigung durch die Vorlage zusätzlicher Nachweise bedürfte)

Quelle: Anlagenspezifische Sicherheitsüberprüfung (RSK-SÜ) deutscher Kernkraftwerke unter Berücksichtigung der Ereignisse in Fukushima-I (Japan), Stellungnahme der RSK vom 16.5.2011

Mit Vorsicht zu betrachten: Nach dem RSK-Bericht, auf dem diese tabellarische Übersicht basiert, erreichen nur Neckarwestheim 2 und Brokdorf die niedrigste Sicherheitsstufe 1 für Erdbeben. Nach Auffassung der Reaktorsicherheitskommission gewährleistet jedoch bereits der darunter liegende "Basislevel" hinreichende Sicherheit vor örtlichen Beben, wie sie im Zeitraum von einer Million Jahren zu erwarten sind. Darüber hinaus signalisieren die Fragezeichen hinter der nicht erreichten Stufe 1 (bzw. 2 bei Neckarwestheim ), daß "Potential für Reserven in Höhe einer Intensitätsstufe" gesehen wird.

Andererseits täuschen die Angaben zur Gefahr eines Flugzeugabsturzes eine Sicherheit vor, die gar nicht gegeben ist. Als Kriterium dient hier nämlich der "Erhalt der vitalen Funktionen beim Absturz eines Militärflugzeugs vom Typ Starfighter". Die Starfighter sind längst ausgemustert. Sie waren für ihre Absturzhäufigkeit berüchtigt, aber wesentlich leichter als heutige Kampfflugzeuge. Den Aufprall eines großes Verkehrsflugzeuges, wie beim Terroranschlag auf das World Trade Center, würde keiner der Reaktoren überstehen.

 

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