August 2011 |
110815 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Bundesnetzagentur verzichtet darauf, eines der acht abgeschalteten Kernkraftwerke als Reserve zu benennen, wie dies das neugefaßte Atomgesetz in § 7 Abs. 1e und § 23c vorsieht. Am 31. August teilte sie mit, daß das Übertragungsnetz auch ohne diese Maßnahme beherrschbar bleibe. Es sei inzwischen gelungen, fünf Kohle- und Gasblöcke als zusätzliche Kraftwerksreserve zu ermitteln. Im Bedarfsfall stünden vor allem der Kohleblock 3 im Großkraftwerk Mannheim (GKM), das Gaskraftwerk 2 Mainz-Wiesbaden und der Kohleblock C im Kraftwerk Ensdorf zur Verfügung. Zu diesen deutschen Reservekapazitäten von insgesamt 1.009 MW komme noch eine Reserveleistung von 1.075 MW, die aus Österreich gesichert zur Verfügung gestellt werden könne.
Der Passus über das Reserve-Kernkraftwerk war auf Wunsch der FDP ins Atomgesetz eingefügt worden (110501). Fachleute hielten ihn von Anfang an für unpraktikabel, da ein abgeschaltetes Kernkraftwerk sich nicht schnell genug ans Netz bringen läßt und ein KKW-Betrieb mit verminderter Leistung die Netzentgelte besonders stark belastet hätte (110601). Die Bundesnetzagentur hat ebenfalls von Anfang an nach anderen Lösungen gesucht. Dennoch sei "die Entscheidung des Gesetzgebers, auch ein Reservekernkraftwerk zu prüfen, keineswegs erfolglos" gewesen, meinte Behördenchef Matthias Kurth in einer diplomatischen Formulierung, die sich auch ironisch verstehen läßt. Sie habe nämlich "die Suche nach Alternativen beschleunigt und gefördert".
Tatsächlich konnte die Bundesnetzagentur das Reserve-Kernkraftwerk zumindest als Druckmittel verwenden. So drohte sie der baden-württembergischen Landesregierung damit, das abgeschaltete Kernkraftwerk Philippsburg 1 als Reserve zu benennen, wenn sie nicht die für den Reservebetrieb des Kohleblocks 3 im Großkraftwerk Mannheim notwendigen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen erteile.
Einen erheblichen Beitrag zur Netzstabilität erhofft sich die Bundesnetzagentur ferner von der Verwendung des abgeschalteten Kernkraftwerks Biblis A als "Phasenschieber". Die RWE Power und der Netzbetreiber Amprion haben den Auftrag erhalten, die dafür erforderliche Umrüstung vorzunehmen. Der Generator des Kernkraftwerks wird dabei von der Turbine entkoppelt und im Leerlauf ans Netz gebracht. Er kompensiert so den Verlust an "Blindleistung", der durch die Abschaltung des Kernkraftwerks entstanden ist (110401). Die Bundesnetzagentur erwägt, auch die Generatoren von anderen abgeschalteten Kernkraftwerken auf diese Weise zur Bereitstellung von Blindleistung zu verwenden. Die Kosten der Umrüstung und des Blindleistungsbetriebs gehen in die Netzentgelte ein.