Januar 2012

120112

ENERGIE-CHRONIK


Württembergische Kommunen verhandeln mit EnBW und Süwag über Gemeinschaftsunternehmen für Netzbetrieb

In Baden-Württemberg enden 2013 die Konzessionen für die Stromverteilnetze von insgesamt 176 Gemeinden und Landkreisen, die dem Neckar-Elektrizitätsverband (NEV) angehören. Die Konzessionen waren 1992 an die Energie-Versorgung Schwaben (EVS) und die Technischen Werke der Stadt Stuttgart (TWS) als Vorgänger der Energie Baden-Württemberg (970504, 110610) sowie an die Kraftwerk Altwürttemberg AG (Kawag) als Vorgänger der Süwag Energie AG (010604) vergeben worden. Nach Ablauf der zwanzigjährigen Vertragsdauer haben die Kommunen nun die Wahl, ob sie die Konzession der bisherigen Betreiber erneuern oder an andere Unternehmen vergeben. Anstelle von EnBW und Süwag kommen vor allem eigene Stadtwerke in Betracht, zumal es solche in etlichen Kommunen bereits für Wasser, Gas oder Wärme gibt. Gemäß § 46 des Energiewirtschaftsgesetzes sind die bisherigen Netzbetreiber bei einem Wechsel verpflichtet, dem neuen Konzessionsinhaber das Stromnetz gegen Zahlung einer "wirtschaftlich angemessenen Vergütung" zu überlassen.

Die Stromnetze der 176 Mitglieder des Neckar-Elektrizitätsverbands (NEV) werden bisher von der EnBW (grün), der Süwag (braun) oder beiden Unternehmen (blau) betrieben. Das Verbandsgebiet erstreckt sich nördlich, südlich und östlich von Stuttgart. Die Landeshauptstadt gehört nicht zum NEV, plant aber ebenfalls die Rekommunalisierung ihrer Stromversorgung. (Karte vergrößern)
Grafik: NEV

Grundsätzlich haben sich die Mitglieder des Zweckverbandes am 15. Dezember 2011 ohne Gegenstimme für die Kommunalisierung ihrer Stromnetze ausgesprochen. Allerdings ließen sie offen, auf welche Weise dieses Ziel erreicht werden soll. Die Mehrheit des Verbandes mit dem Esslinger Oberbürgermeister Jürgen Zieger als neuem Vorsitzenden befürwortet die Gründung je eines Gemeinschaftsunternehmen mit EnBW und Süwag. Diese beiden neu konzessionierten Unternehmen würden zwar zu 51 Prozent den Kommunen gehören, den Netzbetrieb aber faktisch den bisherigen Konzessionsinhabern überlassen. Der Esslinger Gemeinderat hat bereits am 19. Dezember den Beitritt der Stadt zu einem entsprechenden Gemeinschaftsunternehmen mit EnBW beschlossen. Die übrigen Verbandsmitglieder werden in den kommenden Monaten entscheiden müssen, wie sie verfahren wollen.

In Ludwigsburg hat der Gemeinderat dagegen schon vor einem Jahr entschieden, die Konzession für das Stromnetz ab 2013 komplett den Stadtwerken Ludwigsburg-Kornwestheim GmbH (SWLB) zu übertragen, denen bisher nur in einem kleinen Teil des Gemeindegebiets die Leitungen gehören (120113). Die SWLB wollen außerdem die Stromnetze benachbarter Gemeinden übernehmen. Auch in Schorndorf und Göppingen verliert die EnBW ihre Konzessionen an die Stadtwerke. Die drei Städte Ostfildern, Leinfelden-Echterdingen und Filderstadt erwägen die Gründung eines gemeinsamen Filder-Stadtwerks.

Nach Angaben des Zweckverbandes würde die Übernahme der EnBW-Netze 500 Millionen Euro kosten; die der Süwag-Netze 100 Millionen Euro. Die Gründung der beiden Gemeinschaftsunternehmen ermögliche ebenfalls ein mehrheitliches Eigentum der Kommunen am Netzbetrieb, verringere aber den erforderlichen Kapitalaufwand auf rund 100 bzw. 20 Millionen Euro. Da die insgesamt 167 Kommunen und neun Landkreise über unterschiedliche Größe und finanzielle Leistungsfähigkeit verfügen, soll es zwei Möglichkeiten zur Beteiligung an den Gemeinschaftsunternehmen geben: Als "A-Gesellschafter" erwerben sie Anspruch auf eine Garantierendite von 5,5 Prozent, die sich je nach Wirtschaftsergebnis auf bis zu acht Prozent erhöhen kann. Als "T-Gesellschafter" profitieren sie unbegrenzt vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens, haben aber auch das Risiko bzw. eventuelle Verluste zu tragen. Die T-Gesellschafter treffen außerdem die wesentlichen wirtschaftlichen Entscheidungen. Die Betriebsführung liegt bei den Minderheitsgesellschaftern EnBW und Süwag bzw. deren Netztöchtern.

In anderen Landesteilen bröckelt das EnBW-Verteilernetz ebenfalls

Auch im übrigen Baden-Württemberg laufen in den meisten Gemeinden demnächst die Konzessionsverträge aus, was etliche Städte zum Anlaß nehmen wollen, um die Stromnetze in kommunaler Regie zu betreiben. So hat Metzingen bereits beschlossen, die Konzession von der EnBW auf die eigenen Stadtwerke zu übertragen. Der größte Verlust droht der EnBW in der Landeshauptstadt Stuttgart, wo der Gemeinderat vor einem halben Jahr die Wiedergründung von Stadtwerken beschloß (110610). Die Stadtwerke Tübingen und die anderen fünf "EnergiePartner Süd" sind gern bereit, kleinere Kommunen bei der Gründung eigener Stadtwerke zu unterstützen (090413). Im Südbaden konnte die kommunale Badenova zum Jahresbeginn ihr Leitungsnetz um 115 Kilometer erweitern, nachdem ihr von vier weiteren Gemeinden und einem kommunalen Zweckverband die Stromversorgung übertragen wurde. Bisheriger Konzessionsinhaber war die EnBW-Tochter "Energiedienst".

Eine umfassende Übersicht der Restlaufzeiten aller Konzessionsverträge für Strom und Gas in Baden-Württemberg sowie der seit 2006 neu abgeschlossen Verträge enthält die Stellungnahme, mit der die seinerzeitige Stuttgarter Landesregierung im September 2009 eine Anfrage der SPD-Fraktion beantwortete (siehe Links zu den Anlagen 1, 2a und 2b der Landtags-Drucksache 14/4844). Die SPD wollte damals auch wissen, ob die Höchstlaufzeit von zwanzig Jahren, die das Energiewirtschaftsgesetz zuläßt, "angesichts der politischen, technologischen und wirtschaftlichen Dynamik im Energiebereich" noch zeitgemäß sei. Die Landesregierung bejahte dies uneingeschränkt: Zwar sehe das EnWG bei Wechsel des Konzessionsinhabers eine angemessene Entschädigung für das Anlagekapital vor; ein allzu kurzfristiger Wechsel der Konzessionsnehmer bzw. zu kurze Laufzeiten der Verträge würden jedoch "oftmals notwendige Investitionen verhindern und damit die Netz- und Versorgungssicherheit gefährden".

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