Februar 2013

130206

ENERGIE-CHRONIK


Anklage wirft Teldafax-Vorständen Insolvenzverschleppung und gewerbsmäßigen Betrug vor

Die Staatsanwaltschaft Bonn hat jetzt Anklage gegen drei frühere Vorstände des Internet-Stromanbieters Teldafax erhoben, der im Juni 2011 Insolvenz anmeldete (110613). Wie sie am 15. Februar mitteilte, werden sich Klaus Bath, Gernot Koch und Michael Josten vor der Wirtschaftskammer des Landgerichts wegen Insolvenzverschleppung, gewerbsmäßigem Betrug und Bankrotthandlungen verantworten müssen. Die Staatsanwaltschaft behält sich vor, das Trio noch in weiteren Punkten anzuklagen, falls sich bei den aufwendigen Ermittlungen weitere strafrechtliche Sachverhalte ergeben. Diese Punkte sollen dann – wie auch die Verfahren gegen andere Beschuldigte des Teldafax-Skandals – in einem gesonderten Verfahren aufgearbeitet werden.

Obwohl sich die Zahl der geschädigten Kunden "im mittleren fünfstelligen Bereich" bewegt, beschränkt sich die Anklage auf 241 ausgewählte Fälle des gewerbsmäßigen Betruges. Der Versuch einer vollständigen Erfassung aller Geschädigten hätte nach Darstellung der Staatsanwaltschaft eine erhebliche Verfahrensverzögerung zur Folge gehabt, ohne eine deutliche Erhöhung der zu erwartenden Strafen zu bewirken.

Russische Finanzspritzen änderten nichts an der Überschuldung

Nach bisherigen Erkenntnissen waren die Teldafax Holding AG und deren Tochtergesellschaften Teldafax Services GmbH und Teldafax Energy GmbH spätestens seit Mitte 2009 zahlungsunfähig und überschuldet. "Auch die zwischenzeitliche darlehensweise Bereitstellung vergleichsweise hoher Beträge an liquiden Mitteln, die aber in kurzer Zeit wieder abflossen, änderte nichts an den permanent bestehenden Unterdeckungen und Liquiditätsproblemen", heißt es in der Darstellung der Staatsanwaltschaft. Gemeint sind damit offenbar die Finanzspritzen des russischen Stromhändlers Energo-Stream, der bei Teldafax eingestiegen war und zwischen November 2010 und Mai 2011 insgesamt 105 Millionen Euro als Darlehen zur Verfügung stellte, die in dem maroden Unternehmen schnell versickerten.

Chaos in der Buchhaltung

Laut Anklage begingen die Vorstände vorsätzliche Insolvenzverschleppung, indem sie in voller Kenntnis der tatsächlichen Finanzlage die längst fällige Konkursanmeldung erst nach mehr als zwei Jahren vollzogen. Entgegen dem Handelsrecht unterließen sie es, die Bilanz des Vermögens der TelDaFax Holding AG für die Geschäftsjahre 2008 bis 2010 spätestens bis zum 31. März des jeweiligen Folgejahres aufzustellen. Testate wurden wegen bilanzieller Überschuldung und fehlender positiver Fortführungsprognose nicht erteilt. Das Rechnungswesen entsprach in keiner Weise den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung. Zahlreiche Verträge lagen nicht im Original vor. Zum Teil sollen Verträge sogar umdatiert worden sein. Rechnungen oder Kündigungen von Kunden wurden erst mit mehrwöchiger Verspätung zur Kenntnis genommen und bearbeitet. Es gab keine aktuelle Übersicht über bestehende Verbindlichkeiten und Außenstände.

Strom wurde unter Einstandspreis verkauft, um möglichst viel Kunden anzulocken und zu schröpfen

Mit neuen Tarifmodellen wie einem "Treuepaket" versuchten die Angeklagten ab Ende Juli 2010 bis März 2011, ihre andauernden Liquiditätsengpässe zu reduzieren. Der Beschaffungspreis war dabei höher als der Verkaufspreis. Nach den Ermittlungen deckten 41 Prozent der Kundenverträge im Stromgeschäft und 37 Prozent der Kundenverträge im Gasgeschäft nicht einmal die direkten Kosten. Die günstigen "Paketpreise", die mit aufwendig-aggressiver Werbung angepriesen wurden, trieben jedoch die Zahl der Kunden hoch und sorgten vorübergehend für finanzielle Entlastung, da der Festpreis für eine bestimmte, über einen Zeitraum von einem Jahr zu liefernde Energiemenge sofort nach Rechnungsstellung vom Konto des Kunden abgebucht wurde. "Durch die steigende Kundenzahl bei den Tochtergesellschaften sollte die TelDaFax Holding AG potentiellen Kaufinteressenten als interessantes Anlageobjekt offeriert werden", heißt es dazu in der Darstellung der Staatsanwaltschaft. Die in den Verträgen vereinbarte Vorleistungspflicht der geschädigten Kunden habe letztlich nur dazu gedient, "kurzfristig Liquidität für das Unternehmen zu erzielen und die Stellung eines Insolvenzantrages hinauszuzögern".

Kunden warteten vergebens auf Rückzahlungen

Wenn nach der Abbuchung ein Wechsel zu TelDaFax wegen unterschiedlicher Gründe nicht möglich war, wurde den Kunden im Rahmen von Stornorechnungen die Rückzahlung angekündigt. Diese blieb jedoch in allen angeklagten Fällen aus. Auf Nachfragen und Beschwerden wurden die Geschädigten immer wieder wahrheitswidrig mit dem Hinweis vertröstet, die Rückzahlung sei in Bearbeitung. Hierzu wurden interne Sprachregelungen (sog. "Wordings") erlassen und an die Mitarbeiter der Call-Center verteilt.

In Moskau läuft ein Verfahren gegen den Ex-Chef des Teldafax-Gesellschafters Energo-Stream

Laut "Handelsblatt" (20.2.) ermittelt in Moskau die dortige Generalstaatsanwaltschaft gegen den ehemaligen Generaldirektor des russischen Teldafax-Gesellschafters Energo-Stream, Jurij Scheljabowskij. Die Anklage laute auf "Entwendung von Geldmitteln durch Abschluß von fingierten Verträgen" mit Firmen im Ausland, die durch Scheljabowskij selber kontrolliert worden seien. In diesem Zusammenhang würden die russischen Ermittler auch gern mit Michael Josten sprechen, der jetzt als Drahtzieher des Teldafax-Skandals in Deutschland angeklagt ist und bereits früher verschachtelte Unternehmensgebilde mit Gesellschaften in Übersee angelegt habe. Bei der Staatsanwaltschaft Bonn laufe ein diesbezügliches Amtshilfeersuchen aus Moskau.

Das russische Unternehmen Energo-Stream verbarg sich offenbar hinter dem Finanzinvestor Sigma Citation Capital Strategies, der im März 2011 gemeinsam mit dem Fondsanbieter Debi das Aktienkapital von Teldafax übernahm (110313). Die beiden Gläubiger nahmen wohl an, sie könnten ihre Forderungen an Teldafax retten, wenn sie das Steuer selber übernähmen. Das Unternehmen war aber viel zu marode. Der Griff in die Trickkiste funktionierte auch immer weniger (110515). Drei Monate später meldete Teldafax endlich Insolvenz an (110613).

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