Juni 2013

130613

ENERGIE-CHRONIK


EU belegt Solarmodule aus China mit Antidumping-Zöllen

Die EU-Kommission gab am 4. Juni die Einführung vorläufiger Antidumping-Zölle auf Importe von Solarmodulen und Wafern aus China bekannt. Bis zum 6. August 2013 beträgt der Zoll 11,8 Prozent. Anschließend sind es durchschnittlich 47,6 Prozent bei einer Bandbreite von 37,2 bis 67,9 Prozent. "Für diejenigen chinesischen Unternehmen, die kooperiert haben, werden niedrigere Zölle gelten", erläuterte dazu EU-Handelskommissar Karel De Gucht. "Diejenigen, die nicht kooperiert haben, werden höhere Zölle in Kauf nehmen müssen."

Die Regelung gilt ab 6. Juni für höchstens sechs Monate. Die Kommission wird deshalb spätestens am 5. Dezember entscheiden müssen, ob sie endgültige Antidumping-Zölle einführt, die dann fünf Jahre lang gelten. Wie sie in ihrer Mitteilung hervorhob, ist sie aber "nach wie vor bereit, ihre Gespräche mit China zu intensivieren, um auf dem Verhandlungsweg zufriedenstellende alternative Lösungen zu erarbeiten".

Die Kommission hatte ihre Entscheidung bereits am 8. Mai getroffen. Die offizielle Verkündung erfolgte aber erst nach Anhörung der Mitgliedsstaaten. Vorausgegangen war eine neunmonatige Untersuchung, die im September 2012 auf Antrag des neugegründeten Branchenverbandes "EU Pro Sun" eingeleitet worden war (121013). Die Kommission gelangte zu der Feststellung, daß chinesische Unternehmen ihre Solarmodule in Europa deutlich unter dem normalen Marktwert verkaufen, was zahlreiche europäische Hersteller zur Geschäftsaufgabe zwang oder zumindest in arge Bedrängnis brachte (130305, 120405, 111212). Mit massiven Überkapazitäten hätten sie in der EU achtzig Prozent des Solarzellen-Marktes erobert. Die Preise der chinesischen Produzenten müßten um 88 Prozent höher sein, um als fair gelten zu können. Das Dumping gefährde in der EU mindestens 25.000 Arbeitsplätze.

Der tonangebende Teil der Wirtschaft hat Angst vor einem "Handelskrieg" mit China

Treibende Kraft hinter der Initiative "EU Pro Sun" ist die deutsche SolarWorld AG, die zuvor auch in den USA die Einleitung eines Antidumping-Verfahrens erreicht hat (120511). Das einst hochprofitable Unternehmen ist inzwischen mit mehr als einer Milliarde Euro verschuldet. Um die Insolvenz abzuwenden, will der Unternehmengründer und Hauptaktionär Frank Asbeck Anfang Juli ein Sanierungskonzept vorlegen, das den Gläubigern den Verzicht auf 60 Prozent ihrer Ansprüche abverlangen würde. Durch die Entscheidung der EU-Kommission bekommt er dabei Rückenwind.

Die vom Export abhängige deutsche Wirtschaft lehnt dagegen die Antidumping-Zölle einmütig ab. Sie argumentiert, daß ein "Handelskrieg" mit China der darniederliegenden Solarzellen-Industrie wenig helfen, den Exporten aber stark schaden würde. Überhaupt seien Zölle wettbewerbsfeindlich und nicht mehr zeitgemäß. Zum Sprachrohr dieses tonangebenden Teils der Wirtschaft machte sich die "Frankfurter Allgemeine" (14.5.), indem sie ihren Leitartikel zur Entscheidung der Kommission mit "Protektionismus nach Brüsseler Art" überschrieb.

Brüssel versucht Spagat zwischen Entschlossenheit und Verhandlungsbereitschaft

Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat nach Bekanntwerden der von Brüssel beabsichtigten Entscheidung ebenfalls vor der Verhängung von Antidumping-Zöllen gewarnt und Druck auf die EU-Kommission auszuüben versucht. Eine ähnliche Position vertraten mindestens 14 der 27 EU-Staaten, wie eine Umfrage der Agentur Reuters (27.5.) ergab. Für den belgischen Handelskommissar Karel De Gucht war es damit auch eine Frage der Glaubwürdigkeit und Selbstachtung, die Beschwerde der Solarzellen-Branche nicht einfach aus opportunistischen Überlegungen unter den Tisch fallen zu lassen.

Die Kommission entschied sich stattdesssen für den Spagat zwischen Entschlossenheit und Verhandlungsbereitschaft: Einerseits betonte sie, daß die Beschwerde der Solarzellen-Hersteller wohlbegründet gewesen sei und sie zum Handeln genötigt habe, um einem europäischen Wirtschaftszweig das Überleben zu ermöglichen. Es sei absolut falsch, dies als Protektionismus oder als "Strafzoll" zu bezeichnen. Andererseits forderte sie China auf, möglichst schnell in Verhandlungen einzutreten, um der vorgesehenen stufenweisen Erhöhung der Zölle zuvorzukommen. Denkbar sei etwa eine bindende Preisverpflichtung, die in ihrer Wirkung einem Zoll von 47 Prozent entspräche, den Differenzbetrag aber nicht dem europäischen Fiskus, sondern den chinesischen Herstellern zugute kommen lassen würde.

Die Reaktion der chinesischen Regierung blieb vorläufig moderat: Am 5. Juni kündigte das chinesische Handelsministerium eine Untersuchung der europäischen Weinimporte an, weil die einheimischen Weinproduzenten der ausländischen Konkurrenz unfaire Praktiken vorwerfen würden. Chinesische Strafzölle auf europäische Weinimporte würden vor allem Frankreich und Italien treffen – und damit zwei EU-Länder, die als Verfechter der Antidumping-Zölle auf Solarzellen gelten.

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