Juli 2013 |
130709 |
ENERGIE-CHRONIK |
Sichtlich angetan von ihrem Papier präsentierten Minister und Netzbetreiber am 5. Juli in Berlin die Eckpunkte der sogenannten Bürgerbeteiligung am Netzausbau. Für die umworbenen Kleinanleger gibt es dagegen keinen Grund zum Strahlen, weil es sich um ein ziemlich mieses Angebot handelt. Das Foto zeigt v.l.n.r. Hans-Jürgen Brick (Amprion), Boris Schucht, (50Hertz), Bundesumweltminister Peter Altmaier, Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler, Martin Fuchs (TenneT TSO), und Rainer Pflaum (TransnetBW). © BMU/Thomas Trutschel,
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Bundesregierung und Netzbetreiber präsentierten am 5. Juli in Berlin ein gemeinsames Eckpunktepapier, das die Akzeptanz des Baues neuer Hochspannungsleitungen erhöhen soll. Es sieht vor, Grundstückseigentümern und Bewohner der Landkreise, die von einem konkreten Leitungsbauvorhaben betroffen sind, eine Rendite von "bis zu fünf Prozent ab Baubeginn" zu gewähren, wenn sie sich mit mindestens tausend Euro am Netzausbau beteiligen. Besonders bevorzugt werden solche Antragsteller, deren Wohnung oder Grundstück dicht an der geplanten Trasse liegt. Die Beteiligungen sollen im Umfang von bis zu 15 Prozent der Investitionssumme vergeben werden. Im übrigen bleiben "Auswahl und Ausgestaltung des jeweils angemessenen Finanzierungsinstruments" der Entscheidung des Netzbetreibers überlassen.
Als erster Netzbetreiber bietet TenneT TSO bereits seit 14. Juni ein solche Beteiligung an der geplanten "Westküstenleitung" in Schleswig-Holstein an (130104) . Die Zeichnungsfrist läuft noch bis Ende August. Die Rendite beträgt fünf Prozent bzw. drei Prozent bis Baubeginn. Antragsberechtigt sind ausschließlich "Gebietsansässige und Grundstückseigentümer" der Landkreise Diethmarschen und Nordfriesland. Wer in einem Umkreis von bis zu fünf Kilometer um die Trasse betroffen ist, darf mit der bevorzugten Zuteilung von bis zu 10.000 Euro rechnen.
Das TenneT-Angebot entspricht damit in allen Punkten dem Eckpunktepapier. Fachleute warnen indessen vor einer Zeichnung, weil das Risiko zu hoch und die Rendite zu gering sei. Die Kleinanleger erwerben nämlich nicht etwa eine Beteiligung an der geplanten Hochspannungsleitung, wie die Anpreisung des Projekts als "Bürgerleitung" suggeriert, sondern an einer Hybridanleihe zur Stärkung des Eigenkapitals von TenneT. Bei einer Insolvenz des Netzbetreibers wären weder Rendite noch Rückzahlung gesichert. Zudem ist völlig ungewiß, wann TenneT das Geld zurückzahlt. Der Netzbetreiber behält sich sogar vor, die Auszahlung der angefallenen Zinsen aufzuschieben.
Bei einer Umfrage der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (21. 7.) bezeichneten Analysten und Fondsmanager das Angebot von TenneT einhellig als "nicht empfehlenswert" für Kleinanleger. Die Rendite müsse unter diesen Umständen mindestens sieben Prozent betragen. Die Ratingagentur Standard & Poor’s bewertete die TenneT-Anleihe sogar mit der Note „BB+“ für hochspekulative Anlagen.
Die Netzbetreiber sehen das freilich anders: Sie behaupten sogar, daß ihnen durch die vorgesehene Beteiligung von Kleinanlegern erhöhte Kosten entstünden. In einer Protokollerklärung zu dem Eckpunktepapier verlangten sie "die vollständige Anerkennung dieser Mehrkosten im Rahmen der Anreiz- und Netzentgeltregulierung als eine Voraussetzung dafür, daß sie dieses Instrument anbieten".
Der Bund der Energieverbraucher verwies am 8. Juli darauf, daß die Bundesnetzagentur den Netzeigentümern eine garantierte Eigenkapitalrendite von über neun Prozent für Netzinvestitionen zugesteht. "Die Bürger, die ihr Geld dafür investieren, will man dagegen mit höchstens fünf Prozent abspeisen", kommentierte der Vereinsvorsitzende Aribert Peters, "und selbst darüber jammern die Netzgesellschaften auch noch".