Januar 2014

140107

ENERGIE-CHRONIK


Windpark-Betreiber Prokon beantragt Insolvenz

Der Windpark-Betreiber Prokon Regenerative Energien GmbH hat am 22. Januar beim Amtsgericht Itzehoe einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt. Ursache dafür war, daß immer mehr Kapitalgeber die von ihnen gezeichneten "Genußscheine" (130805) gekündigt hatten. Sie reagierten damit auf Berichte, wonach dem Unternehmen Verluste in dreistelliger Millionenhöhe entstanden sind. Am 10. Januar warnte Prokon selber die insgesamt über 75.000 Inhaber von Genußrechten vor einer sonst drohenden Insolvenz, falls sie nicht bis zum 20. Januar zu 95 Prozent ihre Bereitschaft erklären würden, vorläufig auf eine Kündigung ihrer Anlageverträge und die Auszahlung der Zinsen zu verzichten. Bis zum genannten Stichtag folgten rund 40.000 Anleger dieser Aufforderung. Da es für die andere Hälfte des Genußschein-Kapitals von insgesamt 1,4 Milliarden Euro keine derartige Zusicherung gab, drohte damit dem Unternehmen die Überschuldung durch der Verlust von rund 670 Millionen Euro an fremdfinanziertem Eigenkapital.


"Fuchs, Du hast die Gans gestohlen, gib sie wieder her..." – Die Inhaber von Prokon-Genußrechten müssen nicht nur auf die erwarteten Zinsen verzichten. Vor allem droht ihnen zumindest ein Teilverlust des angelegten Kapitals.

Unternehmenschef Rodbertus hofft auf Einigung mit den Gläubigern

Mit dem Gang zum Amtsgericht kam Prokon der Beantragung eines Insolvenzverfahrens durch die Gläubiger zuvor. Bis über den Antrag entschieden ist, dürfte ein Vierteljahr vergehen. Der Geschäftsbetrieb wird bis dahin in vollem Umfang fortgeführt. Die Geschäftsführung kann so versuchen, durch Einigung mit den Gläubigern das reguläre Insolvenzverfahren abzuwenden. Sie untersteht jedoch bei allen Aktivitäten der Aufsicht durch den Rechtsanwalt Dietmar Penzlin, den das Amtsgericht zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt hat.

Prokon-Chef Carsten Rodbertus beschreitet damit einen ähnlichen Weg, wie ihn zuvor der Windkraftanlagen-Hersteller Fuhrländer und der Windpark-Projektierer Windreich gewählt hatten, indem sie die Insolvenz in Eigenverwaltung beantragten (130909). Ob er damit Erfolg hat oder ob es wie bei diesen beiden Unternehmen zu einem regulären Insolvenzverfahren kommt (131109), wird sich in den nächsten Monaten herausstellen.

Der Insolvenzantrag bedeute keineswegs das Aus für Prokon, hieß es in einer Mitteilung des Unternehmens. Man werde nun "unter Einbeziehung der Anregungen unserer Genußrechtsinhaber das Geschäftsmodell anpassen". Man sei nach wie vor operativ gut aufgestellt und zuversichtlich, die aktuellen Schwierigkeiten zu überstehen.

In der Tat droht den Anlegern anscheinend kein Totalverlust ihres Kapitals, da Prokon über fünfzig Windparks und andere Sachwerte verfügt und es nur relativ wenige andere Gläubiger gibt, die aus der Insolvenzmasse vorrangig zu bedienen wären. Auch jene Anleger, die ihre Genußrechte gekündigt haben, werden vorläufig nicht ausgezahlt. Später werden sie genauso behandelt wie jene, die nicht gekündigt haben.

Zunächst wird sich der vorläufige Insolvenzverwalter aber erst einmal Klarheit darüber verschaffen müssen, was tatsächlich an Sachwerten vorhanden ist und wie hoch die Verbindlichkeiten sind. Der letzte Jahresbericht wurde für 2011 vorgelegt.

Die Kunden des Stromvertriebs von Prokon riskieren allenfalls, daß sie vom zuständigen Grundversorger in die Ersatzversorgung übernommen werden und dafür einen etwas höheren Strompreis bezahlen müssen, solange sie sich nicht einen günstigeren Tarif suchen. In Thüringen ist das bereits der Fall: Hier verweigerte die TEN Thüringer Energienetze GmbH der Prokon Regenerative Energien GmbH ab dem 17. Januar den Netzzugang.

Genußscheine waren tatsächlich ein Genuß mit Reue

Die Warnungen vor dem Prokon-Geschäftsmodell haben sich jedenfalls bestätigt. Das Unternehmen hatte seine Kapitalbasis zum weitaus größten Teil auf den Verkauf sogenannter Genußrechte gegründet, indem es Kleinanlegern eine Verzinsung von mindestens sechs Prozent versprach. Faktisch waren es sogar acht Prozent. Mit einem gigantischen Aufwand für Werbung durch Postwurfsendungen, in öffentlichen Verkehrsmitteln, im Fernsehen und durch zehn "Beratungsbüros" kamen so 1,4 Milliarden Euro zusammen. Noch im vorigen Jahr nannte Prokon als "vorläufiges Zeichnungsziel" sogar die Summe von zwölf Milliarden Euro. Damit lag der Verdacht nahe, daß es sich um ein sogenanntes Schneeballsystem handeln könnte, bei dem die attraktiven Zinsen und die Kapitalrückzahlungen nur solange Bestand haben, wie der Zustrom neuer Kapitalanleger anhält (130805). Ähnlich wie bei der Solar Millennium AG (111213) schien es Prokon mehr um das Einsammeln von Geld auf dem "grauen Kapitalmarkt" als um die Verwirklichung realer Projekte zu gehen.

Die Kritik von Verbraucherschützern entzündete sich vor allem daran, daß die Prokon-Werbung den Eindruck erweckte, als ob die Investitionen der Kleinanleger durch entsprechende Sachwerte abgesichert seien. Tatsächlich bescherten die Genußscheine aber kein Miteigentum an den Windkraftanlagen und anderen Sachwerten der Prokon-Gruppe. Die Anleger erwarben lediglich eine stille Beteiligung ohne Mitspracherecht bei unternehmerischen Entscheidungen. Bei einer Insolvenz des Unternehmens müßten sie nicht nur auf den garantierten Zins verzichten, sondern auch mit dem Verlust ihrer Kapitalanlage rechnen, zumal alle anderen Forderungen aus der Insolvenzmasse Vorrang haben würden.

Seit Mai 2013 beantwortete Prokon keine Presseanfragen mehr

Prokon-Chef Rodbertus beging offensichtlich den großen Fehler, langfristige Investitionen mit Hilfe von kurzfristig kündbarem Kapital finanzieren zu wollen. Ein weiterer Fehler bestand darin, daß er die Warnungen von Verbraucherschützern ignorierte und kritische Berichte als "Medienhetze" abtat. Seit Mai vorigen Jahres beantwortete er Presseanfragen überhaupt nicht mehr. "Das kleinteilige Reagieren auf jede einzelne Presseanfrage hat sich für uns als nicht hilfreich erwiesen", erklärte er noch am 17. Januar. Auch diese Sichtweise wird er nunmehr überdenken müssen, denn die Kündigungswelle der Kleinanleger wurde hauptsächlich dadurch ausgelöst, daß Prokon trotz der sich häufenden Kritik unverändert an dem scheinbar so erfolgreichen Geschäftsmodell festhalten wollte.

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