August 2015

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ENERGIE-CHRONIK


 

Hoffen auf bessere Zeiten: Die 28 Gesellschafter des GuD-Kraftwerks Hamm haben ihre festen Stromabnahmeverträge aufgelöst. Stattdessen stellen sie der Betreibergesellschaft TGH ein Darlehen von rund 100 Millionen Euro zur Verfügung. Falls der Betrieb von Gaskraftwerken in ein paar Jahren wieder rentabler werden sollte, könnte das Kraftwerk damit die Durststrecke überstehen.

Foto: TGH.

Stadtwerke beschließen Weiterbetrieb des Gaskraftwerks Hamm

Das Gaskraftwerk Hamm bleibt am Netz. Wie der Stadtwerke-Verbund Trianel am 17. August mitteilte, haben die 28 Gesellschafter des Kraftwerks (siehe Liste) ein neues Geschäftsmodell beschlossen, das den Weiterbetrieb der GuD-Anlage ermöglicht. Zum einen seien die langfristigen Stromabnahmeverträge der beteiligten Stadtwerke aufgelöst worden. Zum anderen habe man eine Änderung der Gaslieferverträge erreicht. Damit könne die Wirtschaftlichkeit des Kraftwerks trotz der noch immer sehr schwierigen Rahmenbedingungen verbessert werden, erklärte der Geschäftsführer der Trianel Gaskraftwerk Hamm GmbH & Co. KG (TGH), Martin Buschmeier. Es sei nunmehr möglich, das Kraftwerk nur noch bei einem ausreichend hohen Börsenstrompreis produzieren zu lassen oder es für die Bereitstellung von Regelenergie einzusetzen.

Feste Abnahmeverträge führten bei Gesellschaftern zu Millionen-Defiziten

Das GuD-Kraftwerk Hamm besteht aus zwei Blöcken mit einer Leistung von jeweils 425 MW und einem Wirkungsgrad von 57,7 Prozent. Der Baubeschluß wurde vor zehn Jahren gefaßt (050111). Die Inbetriebnahme erfolgte im Oktober 2007. Die Baukosten beliefen sich auf rund 450 Millionen Euro. Die beteiligten Stadtwerken wollten so auf eigene Erzeugungskapazitäten zurückgreifen können, um sich gegen steigende Marktpreise und vor allem gegen starke Preisschwankungen für Spitzenlaststrom abzusichern.

Der Einsatz des Kraftwerks wurde im wesentlichen vom Strombedarf der Gesellschafter beeinflußt, die entsprechend ihrer jeweiligen Beteiligung über Bezugsrechte verfügten und zur Mindestabnahme einer bestimmten Strommenge verpflichtet waren. Die Lieferverträge erlaubten es, alle Kosten der Stromerzeugung an die Abnehmer weiterzureichen. Der 2009 einsetzende Verfall der Großhandelspreise beeinflußte deshalb das Geschäftsergebnis der TGH nicht unmittelbar. Da der abgenommene Strom aber nur schwer bzw. defizitär zu vermarkten war, entstanden bei den beteiligten Stadtwerken entsprechende Verluste in Millionenhöhe.

Zum Beispiel haben die Stadtwerke Ulm (SWU) schon 2012 Rückstellungen in Höhe von 12,1 Millionen Euro gebildet, um die erwarteten Verluste aus ihren Beteiligungen an den beiden Trianel-Kraftwerken Hamm (9,4 Prozent) und Lünen (5,3 Prozent) abzudecken. Man habe den aus Hamm bezogenen Strom nur noch unter Gestehungspreis verkaufen können, hieß es zur Begründung. Hohe Verluste seien auch zu erwarten, wenn im Laufe des Jahres 2013 das neue Steinkohle-Kraftwerk in Lünen in Betrieb gehen werde (130702).

"Dieses Kraftwerk rechnet sich nicht mehr"

Das GuD-Kraftwerk Hamm könnte jährlich bis zu 6,9 Millionen Megawattstunden erzeugen. In den Jahren 2009 und 2010 erwirtschaftete es Überschüsse von mehr als 12 bzw. 10 Millionen Euro. Dann aber brachen Stromproduktion und Überschüsse um etwa die Hälfte ein. Im vergangenen Jahr verschlechterte sich die Lage weiter. Die Zahl der Betriebsstunden ging gegenüber 2013 um mehr als vierzig Prozent zurück.

"Dieses Kraftwerk rechnet sich nicht mehr", klagte TGH-Geschäftsführer Buschmeier schon 2013 gegenüber dem WDR. "Obwohl wir eines der modernsten Kraftwerke in Deutschland haben mit 58 Prozent Wirkungsgrad, werden wir in 2014 nicht mehr Zins und Tilgung mit diesem Kraftwerk verdienen. Das heißt, wir werden 2014 hier in zweistelliger Millionenhöhe Verluste mit diesem Kraftwerk einfahren."

Änderung des Gesellschaftsvertrags ermöglicht neues Geschäftsmodell

Ende Januar 2015 berichtete die örtliche Presse erstmals, daß das GuD-Kraftwerk Hamm möglicherweise vor dem Aus stehe. Trianel bestätigte auf Anfrage, daß die Gesellschafter in diesem Jahr mit einem Minus im mittleren zweistelligen Millionenbereich zu rechnen hätten. Unter anderem werde geprüft, das Kraftwerk "vorübergehend einzumotten". Im April wurde bekannt, daß die Aufsichtsräte aller 28 beteiligten Stadtwerke einer Änderung des Gesellschaftsvertrags zugestimmt haben. Die festen Stromabnahmeverträge wurden damit aufgelöst und die Vermarktung des Kraftwerks der Betreibergesellschaft überlassen. Das heißt, daß nur noch dann Strom produziert wird, wenn es sich lohnt. Zugleich erhielt die TGH von ihren Eigentümern ein Darlehen von rund 100 Millionen Euro, mit dem sie über die Runden kommen könnte, bis die Rahmenbedingungen für den rentablen Einsatz von Gaskraftwerken um das Jahr 2020 herum wieder besser werden. An dieser Summe sind beispielsweise die Stadtwerke Ulm mit 8,3 Millionen Euro und die Stadtwerke Hamm mit über vier Millionen Euro beteiligt.

Allerdings behielten sich die Gesellschafter noch immer vor, bis zum Spätsommer eine Entscheidung über die Stillegung der Anlage zu treffen. Wie aus der jetzigen Verlautbarung hervorgeht, bleibt das Kraftwerk am Netz. Anscheinend ist das auch auf den Abschluß eines neuen Gasliefervertrags zurückzuführen, der günstiger ist als der alte Vertrag mit E.ON, der nun ausläuft.

 

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