September 2016

160917

ENERGIE-CHRONIK


Aus dem HDR-Forschungsprojekt Soultz wurde ein kommerzielles Erdwärme-Kraftwerk

Das 1987 gestartete Forschungsprojekt in der elsässischen Gemeine Soultz-sous-Forêts, mit dem die Eignung der sogenannten Hot-Dry-Rock-Technik (HDR) zur Gewinnung von Strom aus Erdwärme untersucht wurde, ist jetzt ein kommerziell betriebenes Erdwärme-Kraftwerk. Wie die Energie Baden-Württemberg am 27. September mitteilte, hat sie gemeinsam mit der Electricité de Strasbourg (EDS) den Betrieb der Anlage übernommen. Die EDS ist eine elsässische Regionaltochter der Electricité de France (EDF). Der erzeugte Strom wird mit einer garantierten Vergütung von 22,19 Cent pro Kilowattstunde ins französische Netz eingespeist. Das Kraftwerk verfügt über eine Leistung von 1,7 MW und könnte so jährlich 12 Gigawattstunden Strom erzeugen.


Schematische Darstellung einer "Hot-Dry-Rock"-Anlage mit zwei Produktionsbohrungen (3) und einer Injektionsbohrung (1) wie bei der "Triplette" in Soultz-sous-Forêts. Der künstliche Wasserkreislauf zirkuliert durch das heiße Gestein (2). Die dabei aufgenommene Energie übergibt er an der Erdoberfläche über einen weiteren Wärmetauscher (4) an die ORC-Anlage im Turbinenhaus (5) .

Neue ORC-Anlage nutzt bereits vorhandene Tiefenbohrungen

Soultz dürfte bis auf weiteres das einzige Erdwärme-Kraftwerk bleiben, das anstelle unterirdischer Thermalwasservorkommen die HDR-Technik zur Erzeugung von Strom verwendet. Dabei wird das heiße Gestein zwischen zwei Tiefenbohrungen durch "hydraulische Stimulation" durchlässig gemacht. Es kann so als Wärmetauscher für einen künstlichen Wasserkreislauf dienen, der durch die beiden Bohrungen und das Gestein zirkuliert. In Soultz wurde eine solche Zirkulation erstmals 1997 in einer Tiefe von 2800 bis 3600 Meter hergestellt. Es folgte die Erweiterung zu einer "Triplette" mit drei Bohrungen bis zu einer Tiefe von 5000 Meter, bei der die beiden Produktionsbohrungen und die Injektionsbohrung an der Erdoberfläche nur sechs Meter weit auseinander liegen, aber im Untergrund einen Abstand von 700 Meter erreichen. Das dazwischen befindliche Gestein wurde so zu einem Wärmetauscher mit bis zu drei Quadratkilometer Umfang. Im Jahr 2008 hat man diese Anlage durch ein kleines ORC-Kraftwerk ergänzt, das den relativ geringen Temperaturunterschied zwischen 175 °C (Förderung) und 70° C (Reinjektion) ähnlich wie ein Dampfkraftwerk in kinetische Energie und damit in Strom umsetzen kann. Der Wirkungsgrad blieb aber naturgemäß gering: Mit einer thermischen Leistung von 13 MW lieferte es eine elektrische Leistung von durchschnittlich 1,5 MW.

Da die alte Anlage ohnehin erneuerungsbedürftig und die Forschungsarbeit weitgehend abgeschlossen war, beschlossen EnBW und EDF im September 2005 die Errichtung eines neuen kommerziellen Kraftwerks unter Nutzung der bereits vorhandenen Bohrungen und anderer Infrastruktur. Die ORC-Anlage mit einer Leistung von 1,7 MW lieferte wiederum die italienische Mitsubishi-Tochter Turboden. Nach neun Monaten Bauzeit konnte die neue Anlage im Juli dieses Jahres den Probebetrieb aufnehmen. Die beiden Partner haben gemeinsam acht Millionen Euro in das Projekt investiert.

Nach dem Scheitern des HDR-Projektes Urach sind in Deutschland keine weiteren Anlagen geplant

In Deutschland hat man die HDR-Technik bereits seit Ende der siebziger Jahre mit einem Projekt in Urach verfolgt. Nach Problemen bei der zweiten Tiefenbohrung wurde es aber 2004 gestoppt (040517). Als dann weitere Fördergelder zur Überwindung der technischen Schwierigkeiten zur Verfügung gestellt wurden, schien es wieder in Fahrt zu kommen. Ende 2010 ergab jedoch eine Studie, daß sich die Stromerzeugung auch unter Berücksichtigung der derzeit hohen Einspeisungsvergütungen und sonstigen Beihilfen auf lange Sicht nicht lohnen würde. Man erwog daraufhin, die bereits vorhandenen Bohrlöcher "Urach 3" (4445 Meter) und "Urach 4" (2795 Meter) wenigstens als Erdwärme-Sonden für die Beheizung von Gebäuden zu nutzen. Aber selbst das scheint bisher mangels Rentabilität nicht zustande gekommen zu sein.

Der Befund von Urach dürfte für andere "Hot-Dry-Rock"-Projekte gelten, zumal es hierzulande kaum Standorte mit geologisch so günstigen Bedingungen wie in Soultz-sous-Forêts gibt. Schon die Stromerzeugung mit Thermalwasser ist wenig ergiebig und hat neuerdings wegen der durch den Pumpendruck erzeugten seismischen Risiken mit starkem Gegenwind zu kämpfen (160810). In Deutschland sind jedenfalls keine weiteren HDR-Anlagen in Betrieb, in Bau oder geplant. Es gibt lediglich ein Forschungsvorhaben in Groß-Schönebeck (Brandenburg) mit zwei über vier Kilometer tiefen Bohrungen. Bisher wurde dort vor allem die "hydraulische Stimulierung" von Gesteinsschichten erprobt. Eine Demonstrationsanlage zur Stromerzeugung wurde zwar erwogen, aber nicht verwirklicht.

Ein in Basel gestartetes HDR-Projekt, an dem sich neben schweizerischen Energieversorgern die EnBW beteiligte (060211), führte Ende 2006 infolge der "hydraulischen Stimulation" des Untergrunds zu kleineren Erdbeben (061207). Wegen dieser seismischen Risiken wurde es vorläufig gestoppt und Ende 2009 definitiv abgebrochen (070114).

 

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