September 2017 |
170908 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Stadt Mannheim wehrt sich gegen den geplanten Ausbau der EnBW-Beteiligung am Kommunalversorger MVV. Am 14. September wandten sich alle vier Fraktionen des Gemeinderats gegen die Absicht des Energiekonzerns, die Beteiligung an der MVV Energie AG auf 28,76 Prozent zu erhöhen und so eine Sperrminorität zu erlangen (170312). Zugleich kritisierten SPD, CDU, Grüne und die Wählervereinigung "Mannheimer Liste" die grün-schwarze Landesregierung, weil diese es abgelehnt hat, ihren Einfluß als Hauptaktionär der EnBW in dieser Angelegenheit geltend zu machen. – "Solche Fragen muß das Unternehmen selber entscheiden", hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) gegenüber der Lokalpresse erklärt. "Mir ist versichert worden, daß die EnBW kein strategisches Interesse verfolgt, sondern nur Geld anlegen will."
"Die Entscheidung der EnBW zur Aufstockung ihrer Anteile an der MVV ist kein rein unternehmerisches Handeln", heißt es demgegenüber in der gemeinsamen Erklärung der vier Gemeinderatsfraktionen. "Wie ein nahezu zu hundert Prozent in öffentlicher Hand befindliches Unternehmen energiepolitisch agiert, ist stets auch eine politische Frage, zu der sich die Landesregierung verhalten muß, schließlich sitzt sie im Aufsichtsrat der EnBW nicht am Katzentisch." Wenn die EnBW gegenüber dem Ministerpräsidenten beteuere, daß sie ihre MVV-Aktien als reine Finanzbeteiligung ohne strategisches Interesse betrachte, könne dies nicht überzeugen. Schließlich habe sie das schon in der Vergangenheit gesagt, dann aber ihre Zusage nicht eingehalten, von weiteren Anteilskäufen abzusehen.
Eher alarmierend als beruhigend finden die Gemeinderatsfraktionen außerdem die Darstellung der EnBW, sie strebe nur deshalb nach der Sperrminorität, um ihr gesamtes MVV-Aktienpaket anschließend zu einem höheren Preis weiterverkaufen zu können. Das sei "kein zulässiges Argument, denn als Käufer eines so großen Anteils kommen nur aggressive Finanzinvestoren in Frage, die kein Interesse daran haben, an der Seite der Stadt Mannheim die Entwicklung der MVV Energie als unabhängiges Unternehmen der Energiewende weiter positiv zu begleiten".
Der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Gerhard Schick, sieht die Eigenständigkeit des Kommunalkonzerns ebenfalls bedroht. Neben dem Bundeskartellamt sei hier das Land Baden-Württemberg als Miteigentümer der EnBW gefordert. "Das sieht nach einer feindlichen Übernahme durch die Hintertür aus", erklärte Schick am 6. September. "Die EnBW würde sich – oder einem möglichen Käufer ihres Aktienpakets – eine Sperrminorität verschaffen und damit die Unabhängigkeit eines Konkurrenten angreifen. Und das, obwohl die Karlsruher über Jahre beteuerten, daß sie ihre Anteile nicht aufstocken wollen."
Der Mannheimer Landtagsabgeordnete und stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Stefan Fulst-Blei richtete einen Offenen Brief an den Ministerpräsidenten Kretschmann, in dem er ihn auffordert, "mäßigend auf die Bestrebungen der Energie Baden-Württemberg gegenüber einer der wichtigsten Töchter der Stadt Mannheim einzuwirken". Es sei "höchst befremdlich, wenn ein Unternehmen im Landesbesitz versucht, auf ein Unternehmen der Stadt Mannheim gegen den Willen der Kommune wie auch der Unternehmensführung Einfluß zu gewinnen".
Der Antrag der EnBW auf Übernahme des bisherigen Engie-Aktienpakets von 6,28 Prozent an der MVV wird derzeit vom Bundeskartellamt geprüft. Laut "Handelsblatt" (5.9.) hat der Energiekonzern einen ersten Antrag zurückgezogen, nachdem die Behörde zu erkennen gab, daß sie das Vorhaben nicht einfach durchzuwinken gedenkt. Der neu eingereichte Antrag datiert vom 5. Juli. Mit einer Entscheidung in dem nun förmlich eröffneten Hauptprüfverfahren wird nicht vor Ende November gerechnet. Die Bedenken betreffen dabei anscheinend weniger den Energiesektor als das Entsorgungsgeschäft. Sowohl die MVV als auch die EnBW betreiben eine Müllverbrennungsanlage. Zusammen kämen die beiden Anlagen in Mannheim und Stuttgart auf einen Marktanteil von mehr als 60 Prozent in Baden-Württemberg.
Generell könnte die EnBW strukturelle Entscheidungen verhindern, für die in der Hauptversammlung eine Sperrminorität erforderlich ist. In ihrer Stellungnahme gegenüber dem Bundeskartellamt sieht die MVV deshalb ihre Handlungsfreiheit mehr oder weniger stark eingeschränkt, falls die Behörde den Erwerb der Sperrminorität erlaubt. Bisher habe sie trotz der Minderheitsbeteiligung als unabhängiger und innovativer Wettbewerber der EnBW agieren können. Bei einer Aufstockung des Anteils wäre sie jedoch gezwungen, stets die Interessen der EnBW zu berücksichtigen. Zum Beispiel sei es der EnBW dann sogar möglich, Entscheidungen beim Großkraftwerk Mannheim zu blockieren, das von RWE, EnBW und MVV gemeinsam betrieben wird (150514).