April 2019 |
190408 |
ENERGIE-CHRONIK |
Schon den Start an der Börse schaffte die Senvion-Aktie am 23. März 2016 erst im zweiten Anlauf (160320). Als der Kurs danach absackte, wurde er durch ein 65 Millionen teueres Aktienrückkaufsprogramm wieder auf 16 Euro hochgetrieben. Noch im selben Jahr ging es aber erneut abwärts. Der leichte Anstieg im Sommer 2017 dürfte auf die angekündigten Kosteneinsparungen zurückzuführen sein, mit denen der Eigentümer Centerbridge – so der Vorwurf des Betriebsrats – das Unternehmen für einen Verkauf aufzuhübschen versuchte (170808). Ein Jahr später ging es dann nur noch steil abwärts. Anfang 2019 war die Aktie erstmals weniger als zwei Euro wert. Nach der Insolvenzanmeldung am 9. April fiel sie sogar in den Cent-Bereich. |
Der in Luxemburg registrierte Windkraftanlagen-Hersteller Senvion S.A. hat am 9. April für seine in Hamburg ansässige Tochter Senvion GmbH und deren Produktionstochter Senvion Deutschland GmbH die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung beantragt. Er will damit ein im Januar gestartetes "Transformationsprogramm" beschleunigen und die endgültige Insolvenz abwenden. Zwischen Kreditgebern und Banken werde weiterhin intensiv über ein Angebot zur Schließung der aktuellen Finanzierungslücke verhandelt, hieß es in einer Pressemitteilung. Bei einem Erfolg dieser Verhandlungen könne das Insolvenzverfahren abgebrochen werden. Zielsetzung bleibe die "vollständige Rückkehr zu alter Stärke". Am 17. April folgte eine weitere Mitteilung, wonach Senvion mit seinen Kreditgebern und den wichtigsten Anleihegläubigern einen Kreditvertrag über 100 Millionen Euro unterzeichnet hat. Er habe eine Laufzeit von zwölf Monaten und ermögliche die Fortsetzung der Geschäftstätigkeit.
Bei Senvion handelt es sich um die ehemalige Repower AG, mit deren 5-MW-Anlagen vor zehn Jahren das Offshore-Testfeld "alpha ventus" zur Hälfte bestückt wurde (091111). Das Unternehmen war damals der drittgrößte deutsche WKA-Hersteller und neben Multibrid der einzige Anbieter einer Windkraftanlagen-Technik, die den außergewöhnlichen Belastungen auf hoher See standhalten konnte. Das Unternehmen wurde nach einer Bieterschlacht mit Areva (070312) und einer zeitweiligen Beteiligung der Franzosen (070510) komplett vom indischen Suzlon-Konzern übernommen (110913). Neben der Eigenständigkeit verlor es aus rechtlichen Gründen auch den bisherigen Namen und hieß ab 2014 Senvion. Ein Jahr später wurde es von Suzlon für eine Milliarde Euro an die US-amerikanische Investitionsgesellschaft Centerbridge Capital Partners verkauft, die einen Anteil von 21 Prozent an den indischen Finanzinvestor Arpwood weiterreichte (150108). Die neuen Eigentümer brachten Senvion alias Repower im März 2016 erneut an die Börse, konnten aber nur einen kleineren Teil der Aktien als Streubesitz verkaufen (160320).
Als das Unternehmen im August 2017 ankündigte, drei deutsche Standorte zu schließen und rund 730 Arbeitsplätze abzubauen, verfügte es weltweit über 4000 und in Deutschland über 1800 Arbeitsplätze (170808). Der Personalabbau fügte sich in das Bild einer allgemeinen Verschlechterung der Auftragslage, von der auch andere WKA-Hersteller wie der Weltmarktführer Siemens-Gamesa betroffen waren (170805). Indessen fällt auf, dass es bei Konkurrenten wie Nordex inzwischen wieder aufwärts geht, während die Senvion-Aktie ihren Sinkflug unaufhörlich fortsetzte. Erstaunlicherweise berichtet Senvion auch nicht von einem Mangel, sondern eher von einem Zuwachs an Aufträgen. Der neue Vorstandsvorsitzende Yves Rannou, der das Unternehmen seit Anfang des Jahres leitet, beteuerte noch am 24. Februar: "Wir haben ein starkes Auftragsbuch von fast fünf Milliarden Euro, eine sehr gute Marktposition und Produkte, die von unseren Kunden nachgefragt werden."
Demnach haben sich die Senvion-Eigentümer zu sehr auf Sparmaßnahmen konzentriert, anstatt dem Unternehmen genügend Kapazitäten zur Abarbeitung von Aufträgen zu belassen. Generell hätten sie eher investieren als streichen müssen. Neben ausreichenden Kapazitäten fehlte es an den nötigen Mitteln, um auf die verschärfte Konkurrenz und den Preisverfall reagieren zu können, der sich aus der Umstellung der Auftragsvergabe für neue Windkraftprojekte auf Ausschreibungen ergeben hat. Der Hauptaktionär Centerbridge hat zwar seinen Angaben zufolge "in den vergangenen neun Monaten umfangreiche neue Mittel in Höhe von rund 82 Millionen Euro" zur Verfügung gestellt". Diese Korrektur kam aber anscheinend zu spät und reichte nicht aus.