August 2020 |
200807 |
ENERGIE-CHRONIK |
Nachdem die Bundesregierung die längst überfällige und schließlich auch fest vereinbarte Aufhebung des "Solardeckels" noch monatelang weiter verschleppt hat – Grund war ein koalitionsinterner Streit um die Abstandsregelung für Windkraftanlagen (200505) – zeigt sie nun eine ähnliche Indolenz gegenüber einem anderen Problem, das sich seit langem abzeichnet: Mit Beginn des Jahres 2021 endet die Förderung für die ältesten Solar- und Windkraftanlagen, die aufgrund des im Jahr 2000 in Kraft getretenen Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) subventioniert wurden. Und mit jedem folgenden Jahr wird die auf zwanzig Jahre befristete EEG-Förderung für weitere Anlagen auslaufen. Das ist insoweit kein Problem, als die Anlagen inzwischen ohne weiteres auf Subventionen verzichten können. Es muss aber rechtzeitig eine Anschlussregelung getroffen werden, damit sie überhaupt weiter ins Netz einspeisen dürfen und dafür eine dem Marktwert des Stroms entsprechende Vergütung erhalten oder – was für die Betreiber in vielen Fällen die günstigere Alternative wäre – auf Eigenverbrauch umgerüstet werden können.
Das Bundeswirtschaftsministerium will zwar nach der Sommerpause einen Gesetzentwurf zur Novellierung des EEG vorlegen, der am 23. September auf der Tagesordnung des Bundeskabinetts steht. Bisher ist aber unklar, ob und in welcher Weise er auch eine Anschlussregelung enthalten wird. Anscheinend gibt es innerhalb der Union wie zwischen den Koalitionspartnern Differenzen darüber, wie diese aussehen soll. "Es wird höchste Zeit, dass wir uns darum kümmern", erklärte deshalb der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) und kündigte an, dass seine Landesregierung in dieser Frage über den Bundesrat einen Vorstoß unternehmen werde.
Das Umweltbundesamt (UBA) hat schon mit einer im Februar veröffentlichten Studie auf die besondere Dringlichkeit einer Anschlussregelung für die Photovoltaik hingewiesen (siehe PDF). Die Stromerzeugung der betroffenen PV-Anlagen werde von zunächst 50 Gigawattstunden (GWh) im Jahr 2021 auf rund 1.700 GWh im Jahr 2026 ansteigen. Bezogen auf die derzeitige PV-Stromerzeugung, die sich schon 2018 auf knapp 45 Terawattstunden (TWh) belief, handele es sich somit um vergleichsweise geringe Strommengen. Mit knapp 195.000 Anlagen bis zum Jahr 2026 seien jedoch rund zehn Prozent der derzeit installierten Anlagenzahl betroffen.
Für diese Anlagen bestehe nach Förderende ein hoher Anreiz zur Umrüstung auf Selbstverbrauch, heißt es im Fazit der Studie weiter. Für Strommengen, die nicht selbst verbraucht werden, sei die derzeit einzige rechtlich zulässige Möglichkeit die Stromeinspeisung im Rahmen der sonstigen Direktvermarktung. Für Anlagenbetreiber bestehe hierbei die Pflicht, diesen Wechsel aktiv vorzunehmen. Andernfalls gehe das Recht auf Netzeinspeisung verloren. Findet eine Einspeisung trotzdem statt, bestehe seitens des Netzbetreibers ein Unterlassungsanspruch. Theoretisch könnte er sogar auf Schadenersatz klagen. Direktvermarktungsangebote seien jedoch für den weit überwiegenden Teil der Anlagen nicht wirtschaftlich, da die Vermarktungskosten bei sehr kleinen Anlagen auf eine geringe Strommenge umgelegt werden und damit vergleichsweise hoch ausfallen. Für Anlagenbetreiber mit der Möglichkeit zum Selbstverbrauch bestehe somit ein Anreiz, nicht selbst benötigte Strommengen abzuregeln. Bei voll ins Netz einspeisenden Anlagen sei der Weiterbetrieb vor diesem Hintergrund gefährdet.
Das Umweltbundesamt empfiehlt für einen Übergangszeitraum die Schaffung einer besonderen Abnahmeregelung für eingespeisten Strom aus Weiterbetriebsanlagen, um eine unerwünschte Abregelung von erneuerbarem Strom sowie den Rückbau von funktionsfähigen PV-Anlagen vor dem Ende ihrer technischen Lebensdauer zu verhindern. Die Vergütung des eingespeisten Stroms mit dem Marktwert sei dabei eine einfach umzusetzende Lösung, die den Weiterbetrieb von Volleinspeiseanlagen gewährleisten kann bzw. die Einspeisung von Überschussstrom attraktiv macht. Diese Abnahmeregelung soll gelten, bis eine regelmäßig durchzuführende Überprüfung ergibt, dass die Wirtschaftlichkeit von Vermarktungslösungen für entsprechende Anlagengrößen erreicht ist. Das sei jedoch erst bei Leistungen über 100 Kilowatt zu erwarten – einer Größe, die für die vorwiegend kleinen Anlagen, die in den nächsten Jahren aus der Förderung fallen, aber untypisch ist. Auch das EEG zieht die Grenze für die verpflichtende Selbstvermarktung des erzeugten Stroms bei 100 Kilowatt. Das gilt aber nur für Anlagen, die ab 2016 in Betrieb genommen wurden.
Ab 2021 fallen auch Tausende Windenergieanlagen aus der EEG-Vergütung. Nach Berechnungen der Deutschen Windguard könnten es im ersten Jahr 6.000 mit einer Leistung von 4,5 Gigawatt sein, weil das EEG beim Inkrafttreten im Jahr 2000 auch alle Anlagen einbezog, die bereits errichtet waren. Bis 2026 könnten dann weitere 2,5 Gigawatt folgen. Im Unterschied zur Photovoltaik liegen die Leistungsgrößen der damals errichteten Windkraft-Anlagen aber zumindest im dreistelligen Kilowattbereich. Die Direktvermarktung des erzeugten Stroms wäre deshalb den Betreibern eher zuzumuten, falls sie nicht ohnehin schon erfolgt.
Für die Stromerzeugung aus Biomasse – das dritte bedeutende Segment im Bereich der regenerativen Energien – hat das seit 2017 geltende EEG bereits eine Anschlussregelung geschaffen: Gemäß § 39f dürfen sich die Betreiber solcher Anlagen an den Ausschreibungen für neue Kapazitäten beteiligen, wenn der bisherige Zahlungsanspruch für höchstens noch acht Jahre besteht. Die Anlage gilt dann ab dem Tag, an dem der Zuschlag von der Bundesnetzagentur erteilt wird, für zehn Jahre als neu in Betrieb genommen. In der Praxis hat das dazu geführt, dass bei den Ausschreibungen vor allem Zuschläge für solche Quasi-Verlängerungen erteilt wurden. Dagegen gab es nur wenige Gebote und Zuschläge für neue Anlagen. (170717, 170912, 190407, 191111, 200511)