August 2022 |
220814 |
ENERGIE-CHRONIK |
Einer der beiden Täter, die am 4. März 2018 den Innogy-Finanzvorstand Bernhard Günther in der Nähe seines Hauses in Haan bei Düsseldorf überfielen und mit hochkonzentrierter Schwefelsäure überschütteten, wurde am 18. August vom Landgericht Wuppertal zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Es handelt sich um den 42-jährigen Belgier Nuri T., der seine Beteiligung zwar leugnete, aber anhand von DNA-Spuren am Tatort überführt werden konnte.
Zwischen dem kriminellen Duo und seinem Opfer bestand keinerlei persönliche Verbindung. Vielmehr bestätigte sich auch in der jetzigen Verhandlung der Eindruck, dass das scheußliche Verbrechen von einem mißgünstigen Konkurrenten in Auftrag gegeben wurde, der Günther aus der Führungsetage des RWE-Konzerns entfernen wollte, um seine eigenen Chancen zu verbessern. Möglicherweise spielte dabei die geplante Zerschlagung der RWE-Tochter Innogy eine Rolle, die damals noch nicht öffentlich bekannt war, sich aber mit der überraschenden Ablösung des Innogy-Vorstandsvorsitzenden und vormaligen RWE-Chefs Peter Terium bereits abzuzeichnen begann (171203). Für ein in Auftrag gegebenes Verbrechen spricht auch ein ähnlich gearteter Überfall, der sechs Jahre früher erfolgte, als Günther noch Geschäftsführer und Finanzvorstand der RWE Supply & Trading war und beim Joggen zusammengeschlagen wurde.
Die Staatsanwaltschaft hatte ihre Ermittlungen ein knappes halbes Jahr nach der Tat vorläufig eingestellt, weil sie keinerlei Hinweise auf die Täter finden konnte (180915). Schon damals sagte Günther in einem Interview mit dem "Handelsblatt", dass er eine persönliche Theorie zu den Hintergründen des Anschlags habe, die er aber mangels konkreter Belege lieber für sich behalten wolle (180915). Innogy reagierte auf die Einstellung der Ermittlungen mit der Aussetzung einer Belohnung von bis zu 80.000 Euro für Hinweise zur Aufklärung des Verbrechens. Daraufhin gingen tatsächlich neue Hinweise ein, die zur Festnahme eines 32-jährigen Mannes namens Marco L. aus dem Rotlicht-Milieu und zur Wiederaufnahme der Ermittlungen führten (191011). Dieser Mann wurde allerdings schon nach wenigen Wochen wieder aus der Untersuchungshaft entlassen, weil das Landgericht einen dringenden Tatverdacht nicht hinreichend begründet sah. Vor allem ließen sich die DNA-Spuren in einem Handschuh, den die Täter bei dem Überfall verloren, nicht dem Festgenommenen zuordnen. In der jetzigen Verhandlung gegen Nuri T. ergaben sich dagegen nach Feststellung des Vorsitzenden Richters "Hinweise, dass Herr Günther richtiglag, als er Marco L. als einen der beiden Täter wiedererkannte".
Innogy erhöhte nun die Belohnung auf 100.000 Euro (200612).
Anscheinend von derselben Person, die bereits Marco L. beschuldigte, kam daraufhin
der Hinweis auf Nuri T. als Mittäter, zu dem die DNA am Tatort tatsächlich
passte und der nun verurteilt werden konnte. Weiterhin im Dunkeln blieb aber
der mutmaßliche Auftraggeber, dessen Namen Günther zwar zu kennen
glaubte und inzwischen auch der Staatsanwaltschaft mitgeteilt hatte, dem aber
nichts nachgewiesen werden konnte. Das lag zum einen daran, dass Nuri T. seine
Tatbeteiligung bis zum Schluss leugnete und konsequenterweise auch keinen Auftraggeber
nennen wollte. Zum anderen könnte es sein, dass die beiden Verbrecher ihren
Auftrag über einen oder sogar mehrere Mittelsmänner bekommen haben.
Falls es sich der Verurteilte in der Haft doch noch anders überlegt und
einen Namen nennt, muss dieser deshalb nicht unbedingt direkt zum eigentlichen
Auftraggeber führen.