Februar 2024

240201

ENERGIE-CHRONIK


Habeck will CO2-Abspeicherung im Meer ermöglichen

Der Minister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck (Grüne), hat am 26. Februar einen Gesetzentwurf zur Änderung des bisherigen Kohlendioxid- Speicherungsgesetzes vorgelegt. Damit soll es künftig möglich werden, bei Produktionsprozessen anfallende Kohlendioxid-Emissionen in den zu Deutschland gehörenden Ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ) der Nord- und Ostsee unter dem Meeresgrund zu speichern. Der Schwerpunkt soll dabei auf industriellen Emissionen liegen, die sich schwer oder gar nicht vermeiden lassen, wie bei der Herstellung von Zement und Kalk oder der Müllverbrennung. Nicht zuletzt gehören dazu die Treibhausgase, die künftig im Zuge der geplanten Wasserstoff-Strategie freigesetzt werden, da dieser klimaneutrale Brennstoff zum weitaus größten Teil nicht mit Grünstrom, sondern auf Basis von Erdgas erzeugt werden soll.

Auf Wunsch des Bundesrats würde einzelnen Ländern auch die Onshore-Speicherung erlaubt

Eine Abspeicherung in unterirdischen Lagerstätten an Land sieht der Gesetzentwurf bisher nicht vor. "Sofern die Länder darum bitten" – so heißt es in den Erläuterungen zum Gesetzentwurf – werde der Bund aber nachträglich "eine gesetzliche Grundlage schaffen, die ein Opt-in einzelner Bundesländer zur Onshore-Speicherung ermöglicht". Voraussetzung wäre also eine entsprechende Forderung des Bundesrats.

Kohlekraftwerke dürfen CO2-Pipelines nicht nutzen – aber Gaskraftwerke

Außer der Offshore-Speicherung (mit Ausnahme von Meeresschutzgebieten) regelt das Gesetz den leitungsgebundenen Transport der abgeschiedenen CO2-Mengen zu den Lagerstätten. Von der Nutzung dieser Leitungen ausdrücklich ausgenommen werden die CO2-Emissionen von Kohlekraftwerken (nicht aber die von Gaskraftwerken).

Die bloße Abspeicherung (CCS) soll durch Verwertung (CCU) ergänzt werden

Die Leitungen sollen sowohl die Abscheidung und Speicherung des Kohlendioxids ermöglichen (CCS) als auch dessen Nutzung für die Herstellung von Produkten (CCU). Die Abkürzung CCS steht dabei für die englische Bezeichnung Carbon Capture and Storage und CCU für Carbon Capture and Utilization. Bislang scheint die Verwertung per CCU(S) allerdings mehr eine propagandistische als realistische Alternative zur Abspeicherung jener Kohlendioxid-Mengen zu sein, die künftig vor allem bei der Herstellung von Wasserstoff aus Erdgas anfallen werden (210411).

Der Kurswechsel wurde schon im Koalitionsvertrag angedeutet

Der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf wurde von Habeck bereits im Dezember 2022 angekündigt und war mit einer vagen Formulierung auch schon im Koalitionsvertrag vom November 2021 vorgesehen (221204). Nach "ersten regierungsinternen Abstimmungen" wird ihn das Bundeswirtschaftsministerium nun offiziell in die Ressortabstimmung geben. Anschließend werden die Bundesländer und die Verbände angehört, bevor das Kabinett die endgültige Fassung beschließt.

Habeck spricht von einer "pragmatischen und verantwortungsvollen Richtungsentscheidung"

Noch im Dezember 2020 hatte Habeck als Bundesvorsitzender der Grünen die Ablehnung von CCS bekräftigt: "Es wäre die falsche Strategie, jetzt auf Technologien wie CCS zu setzen, ohne das Mögliche in anderen Bereichen zu tun", sagte er damals gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. "Die große Gefahr einer CCS-Debatte ist doch, dass sie all jenen in die Hände spielt, die es mit einem schnellen Ausstieg aus den Fossilen doch nicht ernst meinen."

Den Kurswechsel verteidigt er nun als "pragmatische und verantwortungsvolle Richtungsentscheidung". Andernfalls seien die Klimaziele unmöglich zu erreichen. Die CCS/CCU-Technologie sei auch wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland.

Aus Sicht des BUND wird "die Büchse der Pandora geöffnet"

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sieht das nach wie vor anders. "Das Wirtschaftsministerium hat heute mit der Deregulierung kommerzieller CCS-Technik die Büchse der Pandora geöffnet", erklärte der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt. "Mit den Planungen zu CCS an Gaskraftwerken setzt Bundesminister Robert Habeck den Ausstieg aus den fossilen Energien aufs Spiel. Auch CO2-Mülldeponien unter dem Meer sollen schon bald Realität werden. Tausende Kilometer CO2-Pipelinenetze sollen durch dicht besiedelte Regionen an die Nordsee führen, trotz der gefährlichen Risiken, die Abscheidung, Transport und die Verpressung der klimaschädlichen Abgase für die menschliche Gesundheit und marines Leben mit sich bringen. Die angebliche Begrenzung der Anwendung von CCS ist ein Etikettenschwindel. Denn mit dem heute verkündeten Freifahrtschein für CCS werden CO2-Leitungsnetze und Deponien für die Gaskonzerne zum Geschäft, das umso profitabler ist je mehr CO2 entsteht. Die Fraktionen im Bundestag müssen nun unbedingt dafür sorgen, dass die Risiken für die Bevölkerung und die Klima- und Umweltfolgen dieser fossilen CCS-Pläne abgeschätzt und öffentlich bekannt werden und diese drohende Kehrtwende in der Klimaschutzpolitik verhindern."

 

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