April 2024

240410

ENERGIE-CHRONIK


"Heizen mit Wasserstoff ist eine Kostenfalle"

Greenpeace, BUND, WWF, Deutsche Umwelthilfe und zahlreiche andere Umweltschutzorganisationen wollen verhindern, dass sich Hauseigentümer weiterhin neue Gasheizungen zulegen, indem sie trügerischen Versprechungen vertrauen, wonach diese "H2-ready" seien und deshalb vermeintlich problemlos auf Wasserstoff umgestellt werden könnten. Unter der Überschrift "Wasserstoff nicht verheizen!" appellierten sie in einem vom 21. März datierten Offenen Brief an die Bürgermeister aller Gemeinden Deutschlands, eine dadurch auch für sie drohende "Kostenfalle" bei der gesetzlich verlangten Wärmeplanung im Interesse der Gemeinden wie von deren Bürgern zu vermeiden (siehe PDF ).

Den Hintergrund bildet, dass neue Erdgas- oder Ölheizungen, die ab 2024 installiert werden, gemäß § 71 des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) ab dem Jahr 2029 stufenweise mit steigenden Anteile von "grünen" Gasen oder Ölen betrieben werden müssen (230906). Zahlreiche Hauseigentümer haben deshalb im vergangenen Jahr noch schnell ihre alten Gas- oder Ölheizungen durch neue ersetzt, damit diese als Bestandsanlagen gelten und bis ans Ende ihrer technischen Lebensdauer mit fossiler Energie betrieben werden dürfen. Aus diesem Grund hat die Heizungsindustrie im vergangenen Jahr weitaus mehr neue Gas- und Ölheizungen als Wärmepumpen verkauft (240204).

"H2-ready-Heizungen" lohnen sich weder für Bürger noch für Gemeinden

Ab diesem Jahr greift jedoch die erwähnte Neuregelung in § 71 GEG. Sie wird in § 71k GEG durch spezielle Konditionen für solche Heizungsanlagen ergänzt, die "sowohl Gas als auch Wasserstoff verbrennen" können. Gemeint sind damit sogenannte "H2-ready-Anlagen". Diese lassen sich zwar keineswegs per Knopfdruck von Erdgas auf Wasserstoff umstellen, wie der Anglizismus suggeriert. Sie können aber mit geringeren Kosten vom einen auf den anderen Brennstoff umgerüstet werden, als die Anschaffung einer Neuanlage erfordern würde. Voraussetzung wäre freilich, dass die kommunalen Versorger ihre bisherigen Erdgas-Verteilnetze entsprechend auf Wasserstoff umrüsten. Eine solche Umstellung lohnt sich jedoch weder für die Gemeinden noch für die Endkunden, weil der künstlich erzeugte Energieträger Wasserstoff – und erst recht der klimaneutrale "grüne" Wasserstoff – viel zu rar und kostspielig ist, um ihn für die Gebäudeheizung zu verwenden, zumal der Bedarf in diesem Marktsegment immer stärker von Wärmepumpen abgedeckt wird und deshalb rückläufig ist.

Wasserstoff-Heizungen kämen langfristig fast doppelt so teuer wie Wärmepumpen

Wie es in dem Offenen Brief an die Bürgermeister heißt, zeigen über 50 unabhängige wissenschaftliche Studien, dass Wasserstoffheizungen für den dezentralen Einsatz in der Gebäudewärme nicht geeignet sind, da diese vier- bis sechsmal so viel Energie zum Heizen verbrauchen wie handelsübliche Wärmepumpen. Das Heizen mit Wasserstoff wäre zudem auch langfristig fast doppelt so teuer wie mit einer Wärmepumpe. Falls in einer Gemeinde tatsächlich ein Wasserstoffnetz zum Heizen realisiert würde, ergäben sich daraus erhebliche Mehrkosten für die Bürger, die sich auf die Wärmeplanung der Kommune verlassen haben.

Auch der Einsatz von Wasserstoff zum Betrieb von Wärmenetzen stelle eine riskante Wette mit hohem Einsatz dar: Während Großwärmepumpen, Geothermie, Abwärmenutzung und Solarthermie bereits heute verfügbar sind, sei die nationale und die internationale Wasserstoffinfrastruktur noch weit von der Umsetzung entfernt und mit erheblichen Unsicherheiten verbunden, was die Geschwindigkeit und die Wirtschaftlichkeit des Hochlaufs angeht. Wärmenetze – und damit auch Wärmenetztransformationspläne – dürften nicht vordergründig auf Wasserstoff basieren. Falls keine bessere Option verfügbar ist, dürfe allenfalls grüner Wasserstoff eingesetzt werden. Neben Wasserstoff sei auch die Rolle von Biomasse und Biogas kritisch zu bewerten.

"Der Gaslobby geht es um die Sicherung ihres Geschäftsmodells"

Trotzdem werbe die Gaslobby für einen breitflächigen Einsatz von Wasserstoff in der Wärmeversorgung, heißt es in dem Appell. Die Verbände BDEW, DVGW und "Zukunft Gas" würden derzeit im großen Stil versuchen, Stadtwerke und Kommunen für ihre Zwecke einzuspannen und über Plattformen wie "H₂ vor Ort" und "H₂ kommunal" für den breitflächigen Einsatz von Wasserstoff zu gewinnen. Das Kalkül der Lobby sei dabei, die Gasindustrie in zweifacher Weise profitieren zu lassen, indem sie einerseits noch sehr lange Erdgas verkaufen kann und andererseits potenziell hohe Gewinne mit teurem Wasserstoff einfährt. Der Gasindustrie gehe es also um die Sicherung ihres Geschäftsmodells. Demgegenüber stünden der Klimaschutz und die Interessen der Verbraucher sowie der lokalen Energieversorger, da diese das wirtschaftliche Risiko fehlgeleiteter Wasserstoffplanungen tragen.

Vor einem Jahr starteten Umwelt- und Verbraucherschützer einen ähnlichen Appell

Bereits im Mai 2023 hatte ein breites Bündnis von 15 Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden in ähnlicher Weise argumentiert und die Bundestagsabgeordneten aufgefordert, bei der bevorstehenden Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes auf die Streichung des § 17k zu dringen, der bei Hauseigentümern fälschlicherweise die Erwartung weckt, sie könnten mit "H2-ready-Anlagen" problemlos von Erdgas auf Wasserstoff umstellen (PDF). Der Appell blieb freilich vergebens. Die Ampelkoalition hielt die Verbraucher anscheinend hinreichend geschützt durch eine sehr vage Vorschrift in § 70 Absatz 12, wo es heißt: "Vor Einbau und Aufstellung einer Heizungsanlage, die mit einem festen, flüssigen oder gasförmigen Brennstoff betrieben wird, hat eine Beratung zu erfolgen, die auf mögliche Auswirkungen der Wärmeplanung und eine mögliche Unwirtschaftlichkeit, insbesondere aufgrund ansteigender Kohlendioxid-Bepreisung, hinweist." Im Klartext: Wer seine "H2-ready-Anlage" von Erdgas auf Wasserstoff umrüstet, entgeht damit nicht der steigenden Kohlendioxid-Bepreisung, weil Wasserstoff auch künftig größtenteils aus Erdgas gewonnen werden muss (es sei denn, die benötigten Mengen würden aus Ländern importiert, wo Treibhausgase ohne Bepreisung in die Atmosphäre geschickt werden). Einen Nutzen für das Klima hat die Umrüstung jedenfalls nicht. Für den vorläufig sehr raren "grünen" Wasserstoff wären die Kosten sogar noch höher.

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