Mai 2024

240501

ENERGIE-CHRONIK


Niederlande drängen Bundesregierung zum Kauf der deutschen TenneT-Tochter

Die niederländische Regierung befürchtet offenbar, dass der beabsichtigte Verkauf des deutschen Übertragungsnetzbetreibers TenneT TSO GmbH an die Bundesregierung (230201) wegen des koalitionsinternen Streits um die Haushaltsplanung noch weiter auf die lange Bank geschoben wird oder sogar gänzlich scheitern könnte. Am 15. Mai ließ sie den Staatskonzern TenneT und dessen deutsche Tochter eine Pressemitteilung veröffentlichen, wonach sie bereits auf der Suche nach alternativen Käufern ist. Vorerst dürfte das allerdings nur eine ultimative Drohung sein, die vor allem die Finanznöte widerspiegelt, in der sich beide Regierungen befinden. Nach den letzten Einschätzungen hat der staatliche Netzbetreiber einen Kapitalbedarf von bis zu 13 Milliarden Euro für sein Netz in den Niederlanden und von rund 18 Milliarden Euro für sein deutsches Transportnetz, das sich von den Alpen bis zur Nordsee erstreckt (siehe 230201).

Haager Regierung musste ihren Netzbetreiber mit 25 Milliarden Euro stützen

"Obwohl im vergangenen Jahr umfangreiche Gespräche geführt wurden, konnte bisher leider keine Einigung erzielt werden", heißt es in der Pressemitteilung des niederländischen Staatskonzerns. "TenneT beabsichtigt daher auch die Möglichkeit der Inanspruchnahme des öffentlichen oder privaten Kapitalmarktes zu prüfen, um den Eigenkapitalbedarf für das deutsche Geschäft zu decken, und bereitet sich in enger Zusammenarbeit mit dem niederländischen Staat als alleinigem Anteilseigner auf ein zügiges Vorgehen vor." Inzwischen habe der niederländische Staat dem TenneT-Konzern ein Gesellschafterdarlehen in Höhe von 25 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, das die Finanzierung der geplanten Investitionen in den Niederlanden und Deutschland für 2024/2025 sicherstelle. Darüber hinaus habe TenneT eine "grüne Hybridanleihe im Wert von 1,1 Milliarden Euro in zwei Tranchen" aufgenommen.

TenneT verschluckte sich mit der Übernahme des ehemaligen E.ON-Transportnetzes

Die deutsche Tochter des "ersten grenzüberschreitenden Übertragungsnetzbetreibers für Strom in Europa", wie TenneT sich bisher zu bezeichnen pflegt, betreibt seit 2010 das Transportnetz der einstigen Verbundunternehmen PreussenElektra und Bayernwerk, die zehn Jahre zuvor im neuen E.ON-Konzern aufgegangen waren (091101). Dieses E.ON-Transportnetz war umständehalber zum Schnäppchenpreis zu haben. Auch RWE und Vattenfall verscherbelten damals ihre Transportnetze, um die Erlöse in Kraftwerke, Stromhandel und Vertrieb zu investieren, die mehr Profit verhießen als der zunehmend regulierte Netzbereich. So war es dem relativ kleinen niederländischen Netzbetreiber TenneT möglich, sich preisgünstig den größten deutschen Übertragungsnetzbetreiber einzuverleiben, dessen Geschäft wesentlich umfangreicher war als das eigene. Ähnlich verhielt es sich beim ostdeutschen Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, als dieser ein halbes Jahr später mehrheitlich vom staatlichen belgischen Netzbetreiber Elia übernommen wurde. In beiden Fällen hatte die Einverleibung der zu großen Brocken mehr oder minder ausgeprägte Bauchschmerzen zur Folge. Besonders aber für TenneT. Vor allem die Kosten der Netzanschlüsse für die Offshore-Windparks vor der deutschen Nordseeküste überforderten die Finanzkraft des Unternehmens. Schon im November 2011 erklärte TenneT sich in Briefen an die Bundesregierung für außerstande, den gesetzlich auferlegten Verpflichtungen nachkommen zu können (siehe Hintergrund, November 2023).

Heute ist der Kaufpreis des einstigen E.ON-Netzes zwanzigmal höher, besteht aber größtenteils aus Schulden

Für den Erwerb des kompletten E.ON-Höchstspannungsnetzes mit einer Länge von damals 10.700 Kilometer zahlten die Niederländer seinerzeit rund eine Milliarde Euro (091101). In den jetzigen Verkaufsverhandlungen mit der Bundesregierung soll der Wert der deutschen TenneT-Tochter zwanzigmal höher veranschlagt worden sein. Der größte Teil davon sind allerdings 16 Milliarden Euro Schulden, die von der bundeseigenen KfW-Bank, die das Geschäft im Auftrag der Bundesregierung abwickelt, übernommen werden müssten. Den Niederländern verbliebe somit ein Nettoerlös von "nur" rund vier Milliarden Euro.

 

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