Mai 2024

240508

ENERGIE-CHRONIK


 

Die neue HGÜ-Verbindung führt von der englischen Konverterstation am Umspannwerk Isle of Grain über mehr als 700 Kilometer durch die Nordsee bis zur deutschen Konverterstation am Umspannwerk Fedderwarden bei Wilhelmshaven. Mit einer Gleichspannung von 525 Kilovolt kann sie eine Leistung bis zu 1,4 Gigawatt in beiden Richtungen übertragen. Nach ihrer Fertigstellung im Jahr 2028 dürfte sie zunächst hauptsächlich genutzt werden, um Strom aus Erneuerbaren Energien von Deutschland nach England zu exportieren. Da Großbritannien seine Windkraft-Kapazitäten bis 2030 stark ausbauen will, könnte irgendwann aber auch "perspektivisch grüner Strom nach Deutschland fließen", wie das Bundeswirtschaftsministerium in seiner Pressemitteilung hervorhob.

Baubeginn für direkte Stromverbindung mit Großbritannien

Am 21. Mai wurde auch auf deutscher Seite mit dem Bau der ersten Stromleitung begonnen, die das britische und das deutsche Höchstspannungsnetz über eine 726 Kilometer lange Hochspannungs-Gleichstromübertragung (HGÜ) verbinden wird. Am symbolischen ersten Spatenstich auf dem Gelände des Umspannwerks Fedderwarden bei Wilhelmshaven beteiligten sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und der britische Staatsminister für Handelspolitik Gregory Hands. Die Leitung soll bis 2028 fertiggestellt sein. Auf britischer Seite begannen die Bauarbeiten bereits im Juli vorigen Jahres.

Kurz vor dem endgültigen "Brexit" setzte die EU das Projekt noch auf ihre PCI-Liste

Das Projekt trägt den doppelsinnigen deutsch-englischen Namen "NeuConnect" und wurde vermutlich nicht ganz zufällig so benannt, da es im Schatten des "Brexit" und trotz des Referendums zustande kam, bei dem im Juni 2016 eine knappe Mehrheit der Briten für den Austritt ihres Landes aus der EU gestimmt hatte. Noch während der anschließenden Verhandlungen über die Neuordnung der Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU wurde es in die vierte Liste der "Projects of Common Interest" (PCI) aufgenommen, die von der EU-Kommission am 31. Oktober 2019 beschlossen wurde (191113). Dieser privilegierte Status dauerte indessen gerade mal gut ein Jahr, da Großbritannien mit Jahresbeginn 2021 endgültig aus dem EU-Binnenmarkt ausschied.

Zwei Geschäftsführungen in London und Wilhelmshaven

Wie man sieht, kommt das Projekt nun trotzdem zustande, wenn auch mit zweijähriger Verspätung gegenüber ursprünglichen Planungen. Außerdem unterliegt es nun sowohl den europäischen als auch den britischen Regulierungsvorgaben. Wegen der unterschiedlichen regulatorischen Spurweite erfolgt die Geschäftsführung auf zwei Gleisen: Neben die 2018 gegründete NeuConnect Ltd. mit Sitz in London trat nachträglich noch die NeuConnect Deutschland GmbH & Co. KG mit Sitz in Wilhelmshaven, die erst im Juni 2022 ins Handelsregister beim Amtsgericht Oldenburg eingetragen wurde. Die Geschäftsführung in London verantwortet die 533 Kilometer langen Projektabschnitte im britischen und niederländischen Zuständigkeitsbereich. Die in Wilhelmshaven ist für alle Fragen zuständig, die Genehmigungsverfahren, Bau und Betrieb des 193 Kilometer langen deutschen Abschnitts betreffen.

Investoren aus Frankreich, Deutschland und Japan

Das Investorenkonsortium, das die mit 2,8 Milliarden Euro veranschlagten Kosten trägt und später von den Nutzungsgebühren für "NeuConnect" profitiert, wird angeführt von Meridiam (Frankreich), Allianz Capital Partners im Auftrag der Allianz Gesellschaften (Deutschland) sowie Kansai Electric Power und TEPCO (beide Japan). Zu den mehr als zwanzig beteiligten Banken und Finanzinstituten gehören die die Europäische Investitionsbank (EIB), die UK Infrastructure Bank, und die Japan Bank for International Cooperation (JBIC).

Prysmian liefert die Kabel und Siemens die Konverterstationen

Der Auftrag für die Planung, Herstellung und Installation der HGÜ-Verbindungsleitung wurde an die Prysmian Group vergeben, eines der weltweit führenden Unternehmen im Bereich der Energie- und Telekommunikationskabelanlagen. Die Aufträge für die Lieferung und Errichtung der beiden Konverterstationen in England und Deutschland bekam Siemens Energy. Den Anschluss der HGÜ-Trasse an die nationalen Transportnetze besorgen die jeweils zuständigen Übertragungsnetzbetreiber National Grid bzw. TenneT TSO.

Auf den letzten zwölf Kilometern wird aus dem See- ein Erdkabel

Die HGÜ-Trasse kann eine Leistung von bis zu 1,4 Gigawatt in beiden Richtungen übertragen. Sie besteht aus zwei bidirektionalen Kabeln mit einer Gleichspannung von 525 Kilovolt, die mit einem integrierten Glasfaserkabel gemeinsam in einem offenen Kabelgraben verlegt werden. Die Mindestverlegetiefe im Küstenmeer und in den "Ausschließlichen Wirtschaftszonen" (AWZ) beträgt 1,5 Meter bzw. 3 Meter in der nach Wilhelmshaven führenden Jade-Fahrrinne. Zwischen der englischen und der deutschen AWZ durchquert das HGÜ-Kabel auch niederländische Hoheitsgewässer (siehe Karte). Nach der Anlandung bei Wilhelmshaven wird aus dem Seekabel ein Erdkabel, das auf den letzten zwölf Kilometern zur deutschen Konverterstation beim Umspannwerk Fedderwarden führt.

 

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