Juni 1991 |
910601 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der Stromverbrauch in Ost- und Westdeutschland entwickelte sich entsprechend dem jeweiligen Konjunkturverlauf unterschiedlich. So sank im vergangenen Jahr der Verbrauch in den neuen Bundesländern um 15 % auf 102 Mrd. kWh, während er in den alten um 1,7 % auf 448 Mrd. kWh anstieg. Dies geht aus dem VDEW-Jahresbericht 1990 hervor, der am 17. Juni vorgelegt wurde.
Wie der VDEW-Vorsitzende Horst Magerl bei der Mitgliederversammlung seines Verbandes am 18./19.6. in Hannover erklärte, ist eine Prognose über den künftigen Stromverbrauch schwierig. Für Westdeutschland war der Wirtschaftszweig ursprünglich von 1 % jährlichen Wachstums bis 2005 ausgegangen. Bereits 1990 sei dieses Wachstum aufgrund der guten Konjunktur und des Bevölkerungsanstiegs viel höher gewesen.
Der Brutto-Stromverbrauch für Gesamtdeutschland belief sich 1990 auf rd. 550 Mrd. kWh. Davon entfielen 81 % auf die westdeutschen, 19 % auf die ostdeutschen Verbraucher. In den kommenden Jahren rechnet Magerl zunächst weiterhin mit rückläufigem Stromverbrauch in der Ex-DDR. Längerfristig müsse dort jedoch auch mit einer deutlichen Zunahme gerechnet werden (FAZ, SZ, Frankfurter Neue Presse, 18.6.91).
In den kommenden sechs bis acht Jahren will die Stromwirtschaft insgesamt 40 Mrd. DM zur Sanierung der ostdeutschen Stromversorgung investieren. Der mit 90 % extrem hohe Anteil der Braunkohle an der Stromerzeugung solle auf etwa 50 % gedrosselt werden (FR, 11.6.; FAZ, 18.6.91). Zur Verringerung der Umweltbelastung ist die Nachrüstung der großen Kraftwerke mit Rauchgasreinigungsanlagen vorgesehen. Für acht von insgesamt zehn 500-Megawatt-Blöcken seien die entsprechenden Aufträge bereits vergeben worden. Der Bau von zwei neuen Kernkraftwerken an den alten Standorten in Greifswald und Stendal mit zusammen 2.600 MW werde weiterhin diskutiert. Darüber hinaus sei geplant, mehrere große Steinkohle- und einzelne Erdgaskraftwerke - jeweils mit Kraft-Wärme-Kopplung - zu errichten. Zudem seien erhebliche Anstrengungen für die Sanierung der Verteilungsanlagen in der ehemaligen DDR erforderlich.
Magerl ging davon aus, daß die volle Ankopplung der Ex-DDR an das westeuropäische Verbundnetz frühestens 1992 erfolgen könne, wenn zwei weitere Hochspannungsleitungen zwischen Ost und West fertiggestellt seien (dpa, 17.6.; Welt, FAZ, SZ, 18.6.91).
Der von der Bundesregierung geplanten Abgabe
auf die Emission von Kohlendioxid erteilte Magerl erneut eine
klare Absage: Zum einen gebe es für CO2 keine Filtertechnik
wie für Schwefel oder Stickoxide, zum anderen basiere die
Stromerzeugung hierzulande in besonderem Maße auf Kohle,
was auch dem politischen Willen entspreche (FAZ, FR, 18.6.91).
Mit der Ablehnung der CO2-Abgabe steht die VDEW nicht allein.
Auch der deutsche Steinkohlenbergbau und das Deutsche Atomforum
sprechen sich dagegen aus. Sie werde, so das Atomforum, ihre "Lenkungsfunktion"
zur Minderung der Umweltbelastung nicht erfüllen, da es derzeit
hierzulande keine politisch gewollte Alternative zu Kohlekraftwerken
gebe (Sieg Tech, 5.6.; dpa, 14.6.91).