Juli 1991 |
910718 |
ENERGIE-CHRONIK |
Während Bundesumweltminister Töpfer über eine weitere Verschärfung der Abfallvorschriften zur Eindämmung der Müllflut nachsinnt (FR, 4.7.), hat die betroffene Wirtschaft angesichts der am 1. Dezember 1991 in Kraft tretenden gesetzlichen Bestimmungen die Flucht nach vorn angetreten und ihr "Duales System" zur Rückführung von Verpackungen wie Flaschen, Tuben usw. gestartet. "Die Töpfersche Verpackungsverordnung schreibt nämlich vor, daß bis Januar 1993 die Hälfte der Verpackungen getrennt eingesammelt und stofflich verwertet sein muß", erläuterte dazu das Handelsblatt (12.7.). "Erreicht das Unternehmen das vorgegebene Ziel zum Stichtag nicht, greift die ursprüngliche Absicht der Verordnung: Die Händler müssen Verkaufsverpackungen selbst zurücknehmen und für deren Verwertung sorgen."
Zunächst sollen 1,5 Mio. Bundesbürger in Bonn, Schweinfurt, Kitzingen, Minden-Lübbecke, Neuwied, Potsdam sowie im Rhein-Neckar-Kreis in das Projekt einbezogen werden. Noch in diesem Jahr sollen dann zehn Mio. Bundesbürger einbezogen sein. Das "Duale System" sieht vor, daß jeder Haushalt eine Wertstofftonne für die Entsorgung von Umverpackungen (nicht Transportverpackungen) erhält. Außerdem wird das Netz der Sammel-Container für Glas und Altpapier wesentlich dichter geknüpft. Ein "Grüner Punkt" auf den Verpackungen soll zum Erkennungszeichen für ihre Entsorgung in der Werttonne werden. Zugleich soll dieser Grüne Punkt die Finanzierung des Projekts ermöglichen, da für seine Verwendung ein Entgelt von durchschnittlich zwei Pfennig pro Verpackung fällig wird. Diverse Details der praktischen Durchführung müssen allerdings noch in Verhandlungen mit den Kommunen geklärt werden (SZ, 12.7.).
Der Beifall für das Projekt ist nicht einhellig. Nach Berechnungen der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände summiert sich die Mehrbelastung durch den Grünen Punkt, die von den Herstellern sicher an die Verbraucher weitergegeben werde, für einen Drei-Personen-Haushalt je nach Einkaufsverhalten auf 100 bis 200 DM jährlich. Außerdem täusche der Grüne Punkt eine Umweltverträglichkeit der Verpackungen vor, die in Wirklichkeit gar nicht gegeben sei.
Die EG hat wettbewerbsrechtliche Einwände gegen das Projekt, weil ausländische Produkte ohne diesen Grünen Punkt diskriminiert würden. Auch das Bundeskartellamt scheint der bereits gegründeten Duales System Deutschland GmbH nicht sonderlich grün zu sein, weil die darin vereinigten 400 Verpackkungshersteller, Konsumgüter-Firmen und Handelskonzerne eine Art Superkartell zur Verhinderung alternativer Entsorgungsstrategien bilden könnten (Spiegel, 22.7.; FR, 31.7.).