August 1991 |
910802 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der möglichst schnelle Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie bleibe ein "zentrales energie- und umweltpolitisches Ziel der SPD". Dies bekräftigte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Harald Schäfer am 27. August in Bonn. Zuvor hatten die niedersächsischen Grünen ihren Koalitionspartner davor gewarnt, von der vereinbarten gemeinsamen Marschroute zum Ausstieg aus der Kernenergie abzuweichen. Der Unmut der Grünen entzündete sich an einem Referentenentwurf für eine Bundesratsinitiative zur Novellierung des Atomgesetzes. Die Vorlage aus dem niedersächsischen Umweltministerium sah vor, den bestehenden Kernkraftwerken eine Art Bestandsgarantie von 20 Jahren seit Inbetriebnahme zu gewähren (dpa, 27.8.).
Dagegen hält Bundesforschungsminister Riesenhuber (CDU) den Bau neuer KKW auch in der ehemaligen DDR weiterhin für sinnvoll. "Ich bin noch nicht sicher, ob das letzte Wort schon gesprochen ist", erklärte er im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung (17. 8.). Ohne Kernenergie sei eine Reduktion der CO2-Emissionen nicht in ausreichenden Umfang möglich.
Auch Bundeswirtschaftsminister Möllemann (FDP) hält angesichts der Klimagefährdung eine Neubewertung der Kernenergie für erforderlich. Um stärker als bisher Energie aus fossilen Brennstoffen einzusparen, müsse die Bundesrepublik vor allem auf kohlendioxidfreie Energien wie regenerative und Kernenergie setzen, erklärte Möllemann vor der wirtschaftsnahen Arbeitsgemeinschaft für Umweltfragen (Handelsblatt, 30.8.).
Nach Auffassung des Deutschen Atomforums ist die SPD mit ihrem Parteitagsbeschluß vom 27. August 1986, binnen zehn Jahren den Ausstieg aus der Kernenergie zu verwirklichen, schon jetzt gescheitert. Dies gelte sowohl für die praktische Durchsetzung des vor fünf Jahren gefaßten Beschlusses als auch für die Überzeugungsarbeit bei den Bürgern (dpa, 26.8.).
Der Ehrenpräsident des Club of Rome, Alex-ander King, plädierte in einem Interview mit dem Umweltmagazin natur (9/91) für die grundsätzliche Möglichkeit des Ausweichens auf Kernenergie, um der Verknappung der Ressourcen und der Klimagefährdung begegnen zu können: "So abschreckend diese Energiequelle auch sein mag: Wir müssen sie uns angesichts der Probleme als Option erhalten."