März 1992 |
920307 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Österreichische Elektrizitäts-Wirtschafts-AG will in großen Mengen Strom aus der Ukraine beziehen und als Gegenleistung bei der Modernisierung der dortigen Kohle- und Gaskraftwerke sowie beim Bau und der Sanierung von Wärmekraftwerken helfen. Schon im vierten Quartal dieses Jahres sollen 220 Millionen kWh bezogen werden. Die Ukraine wird diese Stromlieferungen bis auf weiteres nur mit Hilfe ihrer Kernkraftwerke erfüllen können, denen schwere Sicherheitsmängel vorgeworfen werden. In Österreich selbst wird die Nutzung der Kernenergie politisch mehrheitlich abgelehnt. Die eigene Versorgungslage der Ukraine ist derzeit so schlecht, daß der Strom zeitweise abgeschaltet werden muß (FAZ,11.3).
Die Süddeutsche Zeitung (26.3.) rügte - unter dem Eindruck des Störfalls bei St. Petersburg - den Stromvertrag Österreichs mit der Ukraine im größeren Zusammenhang als "Doppelmoral", welche die Kernenergie vordergründig ablehne und insgeheim doch nutze: "Schleswig-Holstein bezieht über siebzig Prozent seines Stroms aus Kernkraftwerken; was geschähe bei einem Abschalten? Italien hat seinen Ausstieg vollzogen - der Strom kommt nun aus Kernkraftwerken in Frankreich. Österreich will keine Atommeiler im Land sehen - und hat jetzt einen Stromlieferungsvertrag ausgerechnet mit der Ukraine abgeschlossen."
Die Welt (25.3.) ging ebenfalls im Zusammenhang mit dem Störfall bei St. Petersburg auf dieses Thema ein: "Anders als Minister Töpfer, der die Anlagen in Greifswald und Stendal sofort abgeschaltet hat, sind seine Kollegen im Osten dazu nicht in der Lage. Ihre Länder sind auf den Strom angewiesen. Freilich hakt es noch an anderer Stelle: Wenn zum Beispiel Österreich Strom ausgerechnet von der Ukraine (Tschernobyl!) bezieht, verzögert es in unzulässiger Weise den dringend notwendigen Nachrüstungsprozeß."