März 1992

920320

ENERGIE-CHRONIK


Angst vor elektromagnetischen Wellen bremst Ausbau des Mobilfunknetzes

Der von Telekom und Mannesmann betriebene Ausbau des digitalen Mobilfunks stößt immer häufiger auf den Widerstand von Bürgern, die eine Beeinträchtigung ihrer Gesundheit durch die elektromagnetischen Wellen der rund 3000 geplanten Sendetürme des D-Netzes befürchten und sich inzwischen bestärkt fühlen können durch ein Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg (VG Lüneburg 2 B 89/91), das die Vollendung eines Sendeturms für das Mobilfunknetz vorläufig gestoppt hat. Hinzu kommt der Umstand, daß bei Mobilfunkgeräten, die vom Benutzer direkt ans Ohr gehalten werden, empfindliche Teile des Kopfes durch die am Sendegerät angebrachte Antenne belastet werden können. Dies gilt besonders für Geräte des geplanten digitalen D-Netzes, das mit einer doppelt so hohen Frequenz wie das herkömmliche analoge C-Netz arbeitet (900 statt 450 Megahertz). Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) empfahl deshalb, bei Sendeleistungen zwischen 0,5 und 20 Watt einen Sicherheitsabstand zwischen acht und 50 Zentimetern einzuhalten (dpa, 28.2.; FAZ, 12.3.; VDI-Nachrichten, 20.3.; stern, 26.3.; FR, 27.3.; siehe auch 920216).

Die Wirtschaftswoche (13.3.) wußte in diesem Zusammenhang zu berichten: "Zur Schadensbegrenzung zitierte die Aufsichtsbehörde, das Bundesamt für Post und Telekommunikation, Vertreter von Telekom und Mannesmann Mobilfunk jetzt nach Mainz. Dort bekannten die beiden Netzbetreiber, die Strahlenängste der Bürger unterschätzt zu haben. Strahlenschutzexperten regten erstmals an, für Deutschland einen elektromagnetischen Immissionskataster zu erstellen und sämtliche Sendeanlagen auf ihre Umweltverträglichkeit zu überprüfen. Solche Untersuchungen vor dem Baubeginn eines Sendemastes würden allerdings den Netzausbau weiter verzögern."

"Bringt die mobile Kommunikation Gesundheits-Risiken" fragte die Frankfurter Allgemeine (10.3.) in ihrer Technik-Beilage. Der Verfasser des Artikels, Nils Schiffhauer, monierte den "Jargon unpräziser Beschwichtigung" auf seiten der Mobilfunk-Unternehmen. Er riet dazu, die vom BfS empfohlenen Mindestabstände von Funkgerät und Körper in jedem Falle genau zu beachten. Neuere Untersuchungen wiesen auf Wirkungsmechanismen hin, nach denen selbst schwache Felder biologische Systeme beeinflussen können.

Die VDI-Nachrichten (27.3.) kommentierten: "Man hätte die Folgen vorher bedenken und abschätzen können. Dafür hätte der Zentralverband der Elektrotechnischen Industrie im eigenen Interesse sorgen sollen. Das mindeste, was die Branche jetzt tun muß, liegt auf der Hand: Sie muß offen und ehrlich über die möglichen Gefahren informieren. Dazu ist eine breit angelegte, langfristige Studie zum Thema gesundheitliche Gefährdungen durch elektromagnetische Strahlung bitter nötig."