Oktober 1992

921004

ENERGIE-CHRONIK


Kohle-Krise in Großbritannien

Die britische Regierung hat ihren Beschluß revidieren müssen, bis März nächsten Jahres insgesamt 31 von noch 51 Kohlezechen des staatlichen Bergbaukonzerns British Coal zu schließen. Nach heftigen Protesten, auch aus den Reihen der eigenen Partei, erklärte sich das konservative Kabinett unter John Major bereit, zunächst nur zehn Bergwerke stillzulegen. Grundsätzlich will die Regierung aber an ihrer Absicht festhalten, sämtliche Zechen zu schließen und die betroffenen 30 000 Bergarbeiter abzufinden, um die Überkapazitäten im Kohlebergbau abzubauen (FAZ, 20.10.; Handelsblatt, 21.10.).

Laut Wirtschaftswoche (23.10.) sehen Experten die Ursache der britischen Kohlemisere "vor allem in der stümperhaft geplanten Privatisierung der Stromwirtschaft: Das daraus hervorgegangene Duopol der beiden Kraftwerksbetreiber National Power und PowerGen ist nur noch bis zum Frühjahr 1993 gehalten, rund 65 Millionen Tonnen britischer Kohle jährlich zu verfeuern. Danach können sich die Stromriesen weitgehend ungehindert mit billigerer Kohle aus dem Ausland versorgen."

Überkapazitäten durch Gas-Kraftwerke?

Die Neue Zürcher Zeitung (22.10.) sieht eine Ursache der britischen Kohle-Krise in "Marktverzerrungen" als Folge der Privatisierung des Energiesektors. So werde in Großbritannien die Nuklearenergie weiter subventioniert, während regionale Stromversorger versuchten, ihre Abhängigkeit vom Stromerzeugungs-Duopol durch den Einsatz von gasbefeuerten Kraftwerken zu reduzieren. Inzwischen hätten die Regionalunternehmen so viele Gaskraftwerke in Auftrag gegeben, daß 1995 eine Überkapazität von rund 50 Prozent in der britischen Stromerzeugung bestehen werde. Die meisten Gaskraftwerke würden dabei nach Berechnungen von unabhängigen Beobachtern teureren Strom als Kohlekraftwerke produzieren, da British Gas die hohe Nachfrage zum Anlaß für drastische Preiserhöhungen genommen habe.