Oktober 1992

921013

ENERGIE-CHRONIK


Illegaler Handel mit radioaktiven Stoffen beunruhigt die Öffentlichkeit

Sich häufende Fälle von illegalem Handel mit radioaktivem Material haben die Öffentlichkeit aufgeschreckt. So stellte die Polizei am 9.10. in Frankfurt/Main zwei Behälter mit Cäsium und Strontium sicher und nahm insgesamt fünf Polen fest, von denen einer durch den unsachgemäßen Umgang mit dem radioaktiven Material lebensbedrohliche Verstrahlungen erlitten hat. Selbst Atomsprengköpfe sollen schon auf dem schwarzen Markt angeboten worden sein (Bild am Sonntag, 11.10.; Spiegel 8.10. u. 19.10.; Welt, 19.10.; Handelsblatt, 20.10.).

Die Welt (12.10.) warnte: "Das in Frankfurt entdeckte, vermutlich in Litauen oder Rußland entwendete radioaktive Kernmaterial markiert die Spitze eines Eisbergs, dessen Tiefgang die internationale Sicherheit bedroht." In einem Artikel des Magazins Der Spiegel (19.10.) hieß es: "Auf tausend Kanälen schleusen Geschäftemacher, arbeitslose Wissenschaftler und Erpresser portionsweise Beutestücke aus der untergegangenen Sowjetunion herein."

Der illegale Handel mit radioaktivem Material wird als zusätzliches Risiko der zivilen Nutzung der Kernenergie gesehen. Die Frankfurter Rundschau (14.10.) konstatierte einen "Zugriff der Mafia auf den Brennstoffzyklus der Atomkraftwerke und den militärischen Atomkomplex, zwei Sektoren, die in der Ex-Sowjetunion engstens verflochten waren." Das Hamburger Abendblatt (19.10.) verglich die Nuklearenergie mit einem "Geist aus der Flasche", der sich nach dem Entweichen nicht mehr einsperren lasse: "Wir werden uns wohl daran gewöhnen müssen, daß die apokalyptischen Reiter heute hinter dem Steuer von Mittelklasseautos sitzen und das Grauen im Kofferraum spazierenfahren. ... Auch wenn die Atomindustrie uns immer aufs neue das Gegenteil weismachen will: Was schiefgehen kann, geht irgendwann auch schief."