Mai 1993

930501

ENERGIE-CHRONIK


"Kohlefinanzierungssteuer" soll den "Kohlepfennig" ersetzen

Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) hat beim Parteiengespräch über einen Energiekonsens am 3.5. überraschend die Einführung einer "Kohlefinanzierungssteuer" vorgeschlagen. Die neue Energiesteuer soll auf alle primären Energieträger (Kohle, Gas, Öl und Kernenergie) erhoben werden. Ihr voraussichtliches Aufkommen von jährlich 7 bis 8 Milliarden DM soll dazu verwendet werden, die Verstromung von jährlich 50 Millionen Tonnen deutscher Steinkohle sichern, die in der Kohlerunde vom Herbst 1991 vereinbart wurde. Sie würde insoweit den 1995 auslaufenden "Kohlepfennig" ersetzen, mit dem seit 1975 die Verstromung der normalerweise nicht marktfähigen deutschen Steinkohle subventioniert wird. Während der "Kohlepfennig" nur von den Stromverbrauchern erhoben wird, würde die neue Steuer alle Energieverbraucher belasten (FAZ, 5.5.; Welt, 5.5.; FR, 5.5.).

Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) hatte zunächst vorgeschlagen, die "Kohlefinanzierungssteuer" auch zur Sanierung der ostdeutschen Braunkohlealtlasten sowie zur Förderung des Energiesparens und der neuen Energien zu verwenden, dann aber Rexrodts Vorstellungen zugestimmt: Es gehe nicht um eine neue Energiesteuer, sondern nur um die notwendige Ersetzung einer alten Regelung durch eine neue, meinte Töpfer am 13.5. vor Journalisten in Bonn. Dagegen plädierte der umweltpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Müller, weiterhin für eine allgemeine Energiesteuer mit wesentlich größerem Aufkommen, mit der auch Energiesparmaßnahmen und der stärkere Einsatz erneuerbarer Energien gefördert werden sollen (SZ, 12.5.; DPA, 13.5.; FAZ, 13.5.).

Gemeinsam unterbreiteten Rexrodt und Töpfer den Vorschlag einer "Kohlefinanzierungssteuer" am 12.5. in der zweiten Sitzung der "Arbeitsgruppe Energiekonsens", in der neben den Parteien auch Umweltverbände, Industrie, Energiewirtschaft und Gewerkschaften vertreten sind. Vertreter der Umweltverbände kritisierten anschließend, daß über die Themen Energiesparen und erneuerbare Energien, die ebenfalls auf der Tagesordnung standen, überhaupt nicht geredet worden sei. Sie drohten mit dem Ausstieg aus der Gesprächsrunde, falls mit derart "kurzsichtigen Debatten" weiterhin die Diskussion um die notwendigen strukturpolitischen Änderungen in der Energiewirtschaft abgeblockt werde (FR, 14.5.; FAZ, 14.5.).

Stromversorger warnen vor weiterer politischer Belastung des Strompreises

Die Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW) hält die vorgeschlagene "Kohlefinanzierungssteuer" grundsätzlich für geeignet, die bisherige Sonderbelastung der Stromverbraucher zu beseitigen. Die neue Steuer dürfe jedoch nicht zusätzlich zu einer künftigen EG-weiten Klimaschutzsteuer erhoben werden, erklärte am 11.5. VDEW-Hauptgeschäftsführer Joachim Grawe.

Der Vorstandsvorsitzende von RWE Energie, Dietmar Kuhnt, betonte am 12.5 in der Sitzung der Arbeitsgruppe "Energiekonsens", daß es für die deutschen Stromversorger keine weitere spezifische politische Belastung des Strompreises geben dürfe. Dies gelte beispielsweise auch für die Ausweitung des Stromeinspeisungsgesetzes, wie sie gegenwärtig diskutiert werde. Jede weitere Belastung würde die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Elektrizitätswirtschaft und des Industriestandortes Deutschland gefährden.

Dagegen hält der Mineralölwirtschaftsverband die "Kohlefinanzierungssteuer" für nicht begründbar und energiepolitisch völlig verfehlt. Öl sei zugunsten der Kohle weitgehend aus der Verstromung verdrängt worden und solle nun die Subventionierung der Steinkohle übernehmen. Der Bundesverband der Deutschen Gas- und Wasserwirtschaft lehnt die geplante Steuer ebenfalls ab, da sie eine zusätzliche Belastung des Erdgases bedeute (DDP, 11.5.; Handelsblatt, 13.5.; VWD 7. u. 11.5.).

"Das wäre wohl die erste Steuer, die ausschließlich mit dem Ziel der Subvention erhoben würde", bemerkte die Frankfurter Allgemeine (13.5.) Da irgendwann auch noch die geplante Brüsseler Energiesteuer mit ihrer Kohlendioxid-Komponente hinzukommen werde, ergebe sich eine paradoxe Situation: "Der viel Kohlendioxid freisetzende Verbrauch schmutziger Kohle ­ etwa für die Stromerzeugung - wird durch eine ëStrafkomponenteí belastet. Der gleiche Bürger wird aber zusätzlich über die Kohlesteuer zur Kasse gebeten, damit das Verbrennen dieser Kohle überhaupt erst möglich wird."

Nach Meinung der Frankfurter Rundschau (5.5.) würde die geplante Steuer verstärkt die Verbraucher treffen und die Wirtschaft bevorzugen: "Rexrodt plant lediglich eine Umverteilungsaktion nach dem bekannten liberal-konservativen Bonner Strickmuster. Energiepolitische Akzente setzt er jedoch nicht."