Juli 1993 |
930702 |
ENERGIE-CHRONIK |
Mit dem Einlenken der letzten ostdeutschen Kommune, der 13 000 Einwohner zählenden mecklenburgischen Stadt Boitzenburg, ist der nunmehr seit Jahren währende Stromstreit über die Struktur der Elektrizitätsversorgung in den neuen Bundesländern endgültig beigelegt.
Am vorletzten Juli-Wochenende hatten die Spitzenverbände der Städte und Gemeinden, die beteiligten Stromversorgungsunternehmen in den alten und neuen Bundesländern und alle 164 gegen den sog. Stromvertrag klagenden ostdeutschen Städte dem Bundeswirtschaftsminister gegenüber erklärt, den bereits im Dezember 1992 ausgehandelten, vom Bundesverfassungsgericht vorgeschlagenen Einigungskompromiß zu akzeptieren (vgl. 930101). Ein Urteilsspruch aus Karlsruhe wird damit überflüssig.
"Daß ausgerechnet eine 13 000 Einwohner zählende Kleinstadt wie Boitzenburg, deren Stadtwerke-Pläne sicherlich nicht auf ökonomisch allzu festen Beinen stehen, die Blockade bis zuletzt aufrecht erhalten hatte, mag bedenklich stimmen, sollte aber gleichwohl als Tribut an den Rechtsstaat gewertet werden", konstatierte das Handelsblatt am 26.7. Immerhin hat die Stadt Boitzenburg aber vor ihrer Zustimmung zu diesem Kompromiß offensichtlich erreicht, gemeinsam mit ihrem westlichen Partner, den Stadtwerken Lauenburg, die Stromversorgung in eigener Regie übernehmen zu können.
Als "Eckstein für den wirtschaftlichen Aufbau in den neuen Bundesländern" begrüßte Bundeswirtschaftsminister Günther Rexrodt die Einigung ausdrücklich, die, wie er meint, die Blockade von Investitionen in Milliardenhöhe für die Strom- aber auch für die Fernwärmeversorgung nunmehr aufhebe (Handelsblatt, 26.7.; SZ, 21.7.; FAZ, 24.7.; FR, 24.7.).
Laut Frankfurter Allgemeine (27.7.) ist,
so eine Umfrage in der westdeutschen Stromwirtschaft, allerdings
kurzfristig kein Investitionsschub zu erwarten. Die Investitionssicherheit
ist nach Einschätzung von Bayernwerk, RWE Energie und PreussenElektra,
den maßgeblich am Stromvertrag beteiligten Unternehmen,
zwar gestiegen. Ob und inwiefern für 1993/94 geplante Investitionen
jedoch aufgestockt werden, ist noch nicht absehbar. Nach Schätzungen
der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW) ist bis
1996 mit Investitionen von rund 60 Milliarden DM in der ostdeutschen
Stromwirtschaft zu rechnen, wobei zwei Drittel auf den Bau und
die Modernisierung von Kraftwerken und ein Drittel auf den Ausbau
des Stromverteilungsnetzes entfallen dürften (FAZ, 27.7.).