August 1993 |
930807 |
ENERGIE-CHRONIK |
Aktivisten der Umweltschutzorganisation Greenpeace haben am 17.8. die Zufahrt des einzigen deutschen Endlagers für radioaktive Abfälle in Morsleben blockiert. Sie begründeten dies damit, daß das ehemalige Kali-Bergwerk wegen Laugenzuflüssen aus dem Deckgebirge als Endlager ungeeignet sei. Es müsse ein "Absaufen" des Lagers befürchtet werden. Der Weiterbetrieb sei "lebensgefährlich und kriminell" . Demgegenüber erklärte Bundesumweltminister Töpfer (CDU), daß es sich bei dem ehemaligen Endlager der DDR um ein rechtmäßiges und sicheres "Bundesendlager" handele. Töpfer stellte überdies klar, daß in Morsleben schwach- und mittelradioaktive Abfälle aus der ganzen Bundesrepublik eingelagert werden sollen. Er widersprach damit dem Umweltminister des Landes Sachsen-Anhalt, Wolfgang Rauls (FDP), der die Auffassung vertritt, daß in dem ehemaligen DDR-Endlager weiterhin nur radioaktive Abfälle aus Ostdeutschland eingelagert werden dürften.
Der Container, mit dem die Greenpeace-Aktivisten die Zufahrt blockierten, trug die Aufschrift "Atommüllkippe Morsleben - Nicht ganz dicht, Herr Töpfer". Im Innern enthielt er eine Ausstellung, die den "gefährlichen Zustand des Lagers" dokumentieren soll. Die Blockade dauerte am Monatsende noch an. Das Bundesamt für Strahlenschutz hat Strafanzeige wegen Nötigung erstattet. Die Polizei sah jedoch vorläufig keine Veranlassung, gegen die Blockierer vorzugehen.
Das Bundesamt für Strahlenschutz bestätigte, daß Wasser in die Grube sickere. Diese Zuflüsse gefährdeten aber die Sicherheit des Bergwerks nicht.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte im Juni vorigen Jahres entschieden, daß die von den früheren DDR-Behörden erteilte Betriebsgenehmigung für das Endlager Morsleben, die im Einigungsvertrag bis zum Jahr 2000 befristet worden ist, rechtswirksam auf das Bundesamt für Strahlenschutz übergegangen ist. Nach diesem Termin muß die Genehmigung erneut beantragt werden. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) erstellt derzeit eine Studie über Standfestigkeit, Wasserdurchlässigkeit und Langzeitsicherheit der Grube, die als Grundlage für ein neues Genehmigungsverfahren zum Weiterbetrieb der Anlage über das Jahr 2000 hinaus dienen soll (ADN, 17.8.; DPA, 17.8.; FAZ, 18.8.; siehe auch 930404).
Nach Meinung der Süddeutschen Zeitung
(18.8.) hat sich die Bundesrepublik ein "Danaergeschenk"
eingehandelt, als sie das ehemalige DDR-Endlager übernahm:
"Wieder zeigt sich das ganze Dilemma einer Energiepolitik,
die in Ost und West auf Kernkraft setzte, aber beim Entsorgungsnachweis
mit dem ÇPrinzip Hoffnungí arbeitete. Morsleben
kann eine schwere Hypothek werden. Falls das radioaktive Material
dort nicht kontrolliert werden kann, fehlt nicht nur ein neues
Endlager, dann ist auch eine Altlast zu beseitigen."