September 1993

930905

ENERGIE-CHRONIK


Rechnungshof hält Wiederaufarbeitung für wirtschaftlich nicht mehr vertretbar

In einem Bericht, der schon am 27.7. dem Haushaltsausschuß des Bundestags vorgelegt wurde, beanstandet der Bundesrechnungshof, daß die Wiederaufarbeitung nuklearer Brennelemente "mehr als doppelt so teuer" wie die direkte Endlagerung komme. Sie sei deshalb "wirtschaftlich nicht mehr vertretbar". Auch rechtlich stünde schon jetzt einer direkten Endlagerung der Brennelemente nichts im Wege, da das geltende Atomgesetz den dort vorgeschriebenen Vorrang der Wiederaufarbeitung von der wirtschaftlichen Vertretbarkeit des Verfahrens abhängig mache.

Die Rechnungsprüfer beanstanden ferner die Ausgaben des Bundesforschungsministeriums für die Forschungen zur Endlagerung von nuklearen Abfällen. "Selbst mit Hilfe der Leistungsplansystematik des BMFT" sei keine "eindeutige, einheitliche und zweckentsprechende Zuordnung" dieser Ausgaben möglich. Dagegen seien die Stromversorger bisher in zu geringem Umfang für die Kosten der Endlagerung herangezogen worden: "Die Höhe der Vorausleistungen der künftigen Benutzer des Endlagers" könne "noch erheblich gesteigert werden" (Welt, 9.9.; Handelsblatt, 10.9.; FR, 14.9.; Zeit, 17.9.).

Die Welt (9.9.) gibt zum Befund des Rechnungshofes zu bedenken, daß "scheinbare Sparsamkeit" nicht immer der richtige Weg sei: "Die Gegner der Kernenergie werden aufjubeln ob dieses Gutachtens, dabei überrascht es niemanden. Natürlich ist die Wiederaufarbeitung teurer als das simple Versenken im Salzstock. Das Verdikt des Rechnungshofes ist eindeutig - und dennoch als Maßstab nur bedingt zu gebrauchen. Die Energiepolitik des Landes kann nicht nur unter buchhalterischen Gesichtspunkten betrieben und verantwortet werden. Es geht auch darum, die Energieversorgung zu sichern, von äußeren Einflüssen so unabhängig wie möglich zu gestalten, technologischen Fortschritt zu fördern und die Folgen für die Umwelt sowie die Nachkommen einzukalkulieren."

Die Zeit (17.9.) meint: "Werden die Strommultis endlich verpflichtet, die realen Kosten der Beseitigung ihres gefährlichen Mülls zu zahlen, dürfte der angeblich so preiswerte Atomstrom bald teuerer werden." Die Konventionalstrafen, die beim vorzeitigen Ausstieg aus den Wiederaufarbeitungsverträgen mit Franzosen und Engländern fällig werden, seien durchaus zu verkraften: "Unterm Strich würde der sofortige Ausstieg aus der Wiederaufarbeitung trotz der fälligen Pönalien nicht teurer als ihre Fortsetzung. Mit einem Rückzug aus dieser umstrittenen Technik wäre der Betrieb der Kraftwerke in keiner Weise gefährdet. Es würde lediglich kein Plutonium mehr abgetrennt, der überflüssige Kreislauf mit dem Bombenstoff entfiele. Und auch der Streit um die Hanauer Plutoniumfabrik hätte ein Ende: Sie würde nicht mehr gebraucht."