März 1994

940301

ENERGIE-CHRONIK


Rexrodts Pläne für mehr Wettbewerb vom Bundeskabinett vertagt

Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt wird seine Absicht, bis Ostern eine Novelle zur Verstärkung des Wettbewerbs bei Strom und Gas vorzulegen, nicht verwirklichen können. Dies zeichnet sich ab, nachdem der ursprüngliche Abstimmungstermin im Bundeskabinett am 22. März vertagt wurde. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) und der Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW) haben die Rexrodt-Vorschläge am 2.3. erneut abgelehnt. Durch die geplante Abschaffung der Demarkations- und Konzessionsverträge sowie die Einführung einer Zwangsdurchleitung bei Strom und Gas würden vor allem Kleinverbraucher, mittelständische Betriebe und ländliche Gebiete zusätzlich belastet, kritisierte BGW-Vizepräsident Friedel Baurichter in Bonn (Welt 22.3.; Handelsblatt, 23.3.; FAZ, 3.3.; siehe auch 940208).

Die Welt (22.3.) wertet die Verschiebung des Abstimmungstermins im Kabinett als "schwere Schlappe für Rexrodt". Der Wirtschaftsminister sei mit seinen Plänen bei allen Regierungsparteien wie auch beim Kanzler auf Bedenken gestoßen. Ihm drohe allmählich das Schicksal, "zum reinen Ankündigungsminister zu verkümmern".

Nach Ansicht der Frankfurter Rundschau (23.3.) ist Rexrodts Vorstoß "von seinen Kollegen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben worden". Der Minister habe wieder einmal "ein überzeugendes Beispiel seiner fatalen Neigung abgelegt, wie ein Eichhörnchen von Ast zu Ast von Thema zu Thema zu springen, ohne ein Problem gelöst, ohne eine Aufgabe erledigt zu haben".

Die Süddeutsche Zeitung (26.3.) hat Verständnis dafür, daß sich die deutschen Energievertreter nicht auf einen deutschen Alleingang zur Liberalisierung der Energiemärkte einlassen wollen, solange es in den Nachbarländern noch immer mehr oder minder geschlossene Märkte gebe: "Solange die Strukturen in den verschiedenen Ländern bei der Energieversorgung so unterschiedlich sind und privatwirtschaftliche Unternehmen hierzulande gegen Staatsmonopole konkurrieren müßten, ist die einseitige Liberalisierung in der Tat ein Problem. Insofern muß man Rexrodts Scheitern zum jetzigen Zeitpunkt durchaus nicht beklagen."