Mai 1994 |
940502 |
ENERGIE-CHRONIK |
Zwei der größten deutschen Stromversorger haben sich - im Unterschied zu anderen Teilen der Branche - grundsätzlich für eine Liberalisierung des Strommarktes ausgesprochen. Für den Vorstandsvorsitzenden der VEBA AG, Ulrich Hartmann, ist eine Liberalisierung der energiepolitischen Rahmenbedingungen für Strom und Gas "grundsätzlich der richtige Weg". Wer nur "Nein" sage, verliere den Einfluß auf die Gestaltung, gab Hartmann vor Journalisten in Bonn zu bedenken. Die deutsche Stromwirtschaft brauche den Wettbewerb nicht zu fürchten. Allerdings dürfe sie dann nicht länger mit politischen Sonderlasten wie dem Kohlepfennig belastet oder als Instrument der Industrie-, Struktur- und Umweltpolitik angesehen werden. Zudem müsse die Liberalisierung europaweit erfolgen. Es würde einen "Schildbürgerstreich" bedeuten, einseitig die Grenzen für Stromimporte öffnen, solange sich andere Länder wie Frankreich gegen Wettbewerb abschotten (Welt, 30.4.; Handelsblatt, 2.5.; SZ, 3.5.).
Ähnlich äußerte sich Bayernwerk-Vorstandsvorsitzender Otto Majewski in einem Gespräch mit dem Handelsblatt (24.5.): "Wir haben keine Probleme damit, uns über veränderte Rahmenbedingungen dem Prüfstand der Wettbewerbsfähigkeit zu unterziehen." Die dann im europaweiten Wettbewerb stehenden Stromunternehmen dürften aber nicht mehr beliebig politischen Lasten ausgesetzt werden. Ebensowenig entstpreche es einer marktwirtschaftlich effizienten Lösung, wenn einzelne Mitgliedsstaaten der EU mit nationalen Versorgungsmonopolen sich mit Regelungen durchsetzen könnten, die ihnen alle Möglichkeiten im Ausland eröffnen, in ihrem Hoheitsgebiet selbst jedoch den Wettbewerb um Endkunden ausschließen.
Majewski verwies in diesem Zusammenhang auf den Trend zur Internationalisierung der Strombranche. Erste Schritte seien längerfristige Stromaustauschverträge oder gemeinsame Kraftwerksprojekte. Der mögliche zweite Schritt seien Beteiligungen an Partnerunternehmen zur Festigung der Zusammenarbeit.
Die Liberalisierung des Strommarktes war auch Thema einer Energietagung, die das Handelsblatt (20.5.) in Köln durchführte. Der PreussenElektra-Vorstandsvorsitzende Hans-Dieter Harig vertrat dabei die bereits von VEBA-Chef Hartmann eingenommene Position, wonach mehr Wettbewerb in der Stromwirtschaft grundsätzlich anzustreben ist, aber mit der Befreiung von politischen Sonderlasten verbunden sein muß. Dagegen drängte der stellvertretende Vorsitzende des Verbandes der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK), Gerd Jaeger, auf die unverzügliche Liberalisierung der Stromversorgung für industrielle Zwecke. Gegen eine derart "einseitige Betonung des Wettbewerbsprinzips" wandte sich auf derselben Veranstaltung wiederum Felix Zimmermann vom Verbandes Kommunaler Unternehmen (VKU). Zimmermann zufolge befürwortet die kommunale Versorgungswirtschaft einen Wettbewerb in der Erzeugung und schließt selbst einen Zugang Dritter zum Netz auf der Grundlage freiwilliger Vereinbarungen nicht von vornherein aus. Man könne aber nicht dem Vorschlag der EU-Kommission zustimmen, daß industrielle Endabnehmer ab einer bestimmten Größe Netzzugang erhalten und die Rechte der Kommunen auf Vergabe ausschließlicher Konzessionen abgeschafft werden sollen.