Januar 1995

950101

ENERGIE-CHRONIK


Regierungskoalition uneins über Nachfolgeregelung für Kohlepfennig

Der Regierungskoalition ist es noch nicht gelungen, sich auf eine Nachfolgeregelung für die Finanzierung der Steinkohleverstromung zu einigen, nachdem die ursprünglich vorgesehene nochmalige Erhebung des "Kohlepfennigs" für 1996 vom Bundesverfassungsgericht für unzulässig erklärt worden ist. Am 27.1. fand unter Leitung des Bundeskanzlers ein erstes Koalitionsgespräch statt, das jedoch ergebnislos verlief. Die Gespräche sollen am 14.2. fortgesetzt werden. Inzwischen scheint die Mehrheit der Beteiligten an dem Rahmen festhalten zu wollen, der durch das Energie-Artikelgesetz gesetzt worden ist, doch gehen die Ansichten über die Finanzierung erheblich auseinander. Während die FDP die Subventionen aus dem regulären Haushalt erwirtschaften möchte, hält die Union dies für haushaltspolitisch nicht machbar. Der Fraktionschef der CDU/CSU, Wolfgang Schäuble, und Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) plädieren für die Einführung einer Energie- bzw. Stromsteuer. Neben einer Übergangslösung,welche die Finanzierung der Subventionen aus Steuermitteln auf 1996 beschränkt, ist auch eine Mischlösung im Gespräch, welche die Subventionen je zur Hälfte aus dem Etat und einer Energiesteuer finanzieren würde. Unter den Anhängern einer Energiesteuer gibt es außerdem Uneinigkeit darüber, ob diese strikt auf auf die Subventionierung der Steinkohle begrenzt werden oder auch für weitergehende Aufgaben wie die Förderung regenerativer Energien dienen soll. Einer Erhöhung der Mehrwertsteuer werden kaum Chancen eingeräumt (SZ, 28.1.; Handelsblatt, 30.1.; siehe auch 941201).

Erneute Forderung nach Subventionsabbau

Einen Tag vor der Koalitionsrunde beim Bundeskanzler wurde in Bonn eine Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium verbreitet, die Bundeswirtschaftsminister Rexrodt (FDP) den Abbau der Subventionen für die deutsche Steinkohle spätestens bis zum Jahr 2005 empfiehlt. In einem Brief an Bundeskanzler Kohl forderten die Ministerpräsidenten von Sachsen, Bayern und Baden-Württemberg am 20.1. den allmählichen Abbau der Subventionen für die deutsche Steinkohle um jährlich mindestens 500 Millionen Mark ab 1997. In ihrem Brief lehnten Kurt Biedenkopf (CDU), Edmund Stoiber (CSU) und Erwin Teufel (CDU) sowohl die Einführung einer Energiesteuer als auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ab (Welt, 27.1.; SZ, 21.1.).

In der SPD gab es Uneinigkeit darüber, ob die Kohlefinanzierung in die Gespräche über einen Energiekonsens miteinbezogen werden soll. Während der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder für eine solche Verknüpfung plädierte, sprachen sich die SPD-Wirtschaftsminister der Kohleländer Nordrhein-Westfalen und Saarland sowie Parteichef Rudolf Scharping dafür aus, die Frage der Kohlefinanzierung vorrangig zu lösen (FAZ, 6.1.; Handelsblatt, 9.1.).

VDEW warnt vor Stromsteuer

Die Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW) sprach sich am 13.1. gegen eine Stromsteuer aus. Dies wäre "nichts anderes als ein getarnter Kohlepfennig und damit ein Widerspruch zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts", erklärte der VDEW-Vorsitzende Horst Magerl. Eine Stromsteuer widerspräche auch der Notwendigkeit, die deutschen Strompreise für die Industrie international wettbewerbsfähiger zu machen (VWD, 13.1.).

Das Handelsblatt (30.1.) kommentierte: "Die Bundesregierung steckt in der Klemme: Auf der einen Seite haben die Koalitionsparteien bekundet, daß der Steinkohlenbergbau Anspruch auf Vertrauensschutz besitzt; auf der anderen Seite ist noch kein Königsweg für die versprochene wettbewerbsneutrale Finanzierung gefunden worden. ... Gelingt in der Kohlefrage kein kurzfristiger Kompromiß, dann brauchen die Energiekonsensgespräche erst gar nicht zu beginnen. Die SPD würde dann bei der Kernkraft voll auf Konfrontationskurs gehen."

Für die Süddeutsche Zeitung (28.1.) spricht vieles für eine Übergangslösung ohne Steuern, die auf 1996 beschränkt bleibt: "Das würde der FDP die Gesichtswahrung ermöglichen. Und es würde die Möglichkeit eröffnen, eine dauerhafte Lösung für die Jahre 1997 bis 2000 in Ruhe zu diskutieren - auch mit den Sozialdemokraten."