März 1995

950303

ENERGIE-CHRONIK


Kontroverse innerhalb der SPD um energiepolitischen Kurs der Partei

Innerhalb der SPD regt sich Widerstand gegen den energiepolitischen Kurs der Partei. In einer Kritik an der Wahlanalyse des Parteivorstands monierte der "Seeheimer Kreis" die Fixierung der Partei auf "Sekundärthemen" wie Ausstieg aus der Kernenergie, Ausländerpolitik und Tempolimit bei gleichzeitiger Vernachlässigung von "Primärthemen" wie Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot. "Modernistische Anpassungen an einen vermeintlichen Zeitgeist können zu einem problematischen Spagat führen, der Stammwähler irritiert, ohne neue Wählerschichten zu erschließen", heißt es in dem 41 Seiten umfassenden Papier (FR, 13.3.).

Die sozialdemokratische Mitgliederzeitschrift Vorwärts (3/95) hat eine Debatte um die künftigen Schwerpunkte sozialdemokratischer Reformpolitik eröffnet. Im ersten Beitrag kritisierte der Hamburger Umweltsenator Fritz Vahrenholt die "populistischen Parteitagsbeschlüsse zum Atomausstieg, die nur auf Wunschdenken basierten". Die Sozialdemokraten dürften sich nicht länger "anstecken lassen vom dem Rigorismus der Grünen, die die Hochtechnologie, sei es im Energie-, Verkehrs- oder Biochemiesektor, mit der Bannbulle des Denkverbots versehen haben".

Deutliche Vorbehalte gegenüber dem energiepolitischen Kurs seiner Partei äußerte auch der SPD-Bundestagsabgeordnete und IG Chemie-Vorsitzende Hermann Rappe. Auf einer Podiumsdiskussion seiner Gewerkschaft in Hannover setzte sich Rappe am 28.3. für eine Option auf neue Reaktorkonzepte ein. Die von der SPD-Fraktion am 14.3. beschlossene Verhandlungsgrundlage für die Energiekonsensgespräche lasse eine solche "zukunftsoffene Grundeinstellung" vermissen (Handelsblatt, 29.3.).