Januar 1996 |
960108 |
ENERGIE-CHRONIK |
Auf der Wintertagung des Deutschen
Atomforums haben Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt
(FDP) und VIAG-Chef Georg Obermeier einen Konsens bei der Entsorgung
radioaktiver Abfälle angemahnt. Rexrodt forderte die SPD
auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, um zumindest
dieses Problem zu regeln. Nach heutigem Stand sei die Entsorgungsproblematik
eindeutig technisch lösbar. Obermeier regte ebenfalls eine
Konsensrunde an, bei der nur über die Entsorgungsfrage gesprochen
wird. Unter Umständen könnten die Stromversorger auf
eines der beiden vorgesehenen Endlager verzichten, nämlich
dann, "wenn eine der beiden Anlagen definitiv in Betrieb
gehen kann und für alle Abfallarten eine vernünftige
Lösung gefunden ist". Vorleistungen lehnten die Stromversorger
jedoch ab: "Die Aufgabe eines der beiden Standorte quasi
als Morgengabe an die Politik ohne definitive und ganz konkrete
Zulassung des anderen ist absolut ausgeschlossen." Obermeier
kann sich zum Beispiel vorstellen, daß in Gorleben ein Endlager
genehmigt wird, das sich für alle Arten von radioaktivem
Abfall eignet und für dessen Aufnahme groß genug ist.
Eine Entscheidung darüber, welcher Standort aufgegeben werden
könne, sei heute allerdings noch nicht möglich (FR,
24.1.; Handelsblatt, 24.1.; Stuttgarter Zeitung, 24.1.).
Für die Frankfurter Rundschau (24.1.) läßt sich
ein Konsens in der Entsorgungsfrage nicht unabhängig von
einem umfassenderen Konsens über die Kernenergie erreichen:
"Ein in der atomkraftkritischen Bevölkerung akzeptabler
Kompromiß setzt Klarheit über die letztendlich anfallende
Menge an verstrahltem Schrott voraus. Diese Daten kann eine Branche,
die offen auf den Neubau von Reaktoren und nicht definierte Restlaufzeiten
setzt, nicht liefern. Die Offerte der Konzerne strotzt vor Eigennutz.
Sie wollen 'Ruhe auf der Straße' und bieten dafür den
Verzicht auf überdimensioniert geplante, nicht benötigte
Lagerkapazitäten."
Die Süddeutsche Zeitung (3.1.) ist in dieser Hinsicht ganz
ähnlicher Meinung: "Eine isolierte Einigung über
die Entsorgung, die nicht mit der Zwischenlagerung verwechselt
werden darf, ist nicht möglich. Wie sollen die Gegner der
Kernkraft, seien sie nun bei den Grünen und in der SPD angesiedelt
oder seien sie deren Wähler, jemals ein Endlager in ihrem
Bundesland akzeptieren, wenn die Perspektive darauf hinausläuft,
daß die Kernenergie eine strahlende Zukunft hat?"
Für die Stuttgarter Zeitung (24.1.) liefe der Vorschlag auf
die Aufgabe von Schacht Konrad hinaus, in dem radioaktive Abfälle
mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung gelagert werden
sollen: "Die Grube Konrad kann nach gegenwärtigem Stand
keine hochaktiven Abfälle aufnehmen und müßte
aufwendig neu erkundet werden, wenn man alle Arten von Atommüll
dort endlagern wollte. Konrad aufgeben und auf Gorleben warten,
heißt die neue Botschaft."