Mai 1996

960503

ENERGIE-CHRONIK


Merkel weist ein Angebot Schröders zu Entsorgungs-Konsensgesprächen zurück

Nach den schweren Krawallen in Gorleben wurde von Politikern und Vertretern der Energiewirtschaft erneut der Wunsch nach einem Energiekonsens geäußert, der den Transport und die Entsorgung radioaktiver Abfälle miteinschließt. So bekundete Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) am 9.5. in einer Aktuellen Stunde des Bundestags sowie in einem Interview mit der Welt (9.5.), die Bundesregierung sei daran interessiert, die Gespräche über einen Energiekonsens fortzusetzen. Der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) übersandte ihr daraufhin am 11.5. die Einladung zu einem Gespräch am 14. Juni, an dem außer den beiden Politikern auch der EVS-Vorstandschef Wilfried Steuer als Präsident des Deutschen Atomforums und PreussenElektra-Chef Dieter Harig teilnehmen sollten. Zugleich bekräftigte Schröder seine Gesprächsbereitschaft gegenüber der Hannoverschen Allgemeinen (11.5.). Dabei präzisierte er seine Vorstellungen von einem Energiekonsens dahingehend, daß Gorleben nur als Zwischenlager genutzt werde, neben Ahaus ein drittes Zwischenlager in Süddeutschland entstehe und der Ausstieg aus der Kernenergie langfristig vereinbart werde. Im Gegenzug bot Schröder an, das Planfeststellungsverfahren für das Endlager im Schacht Konrad im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten "zügig positiv" zu entscheiden. Die Bundesumweltministerin ließ ihm jedoch am 19.5. durch ihre Sprecherin Gertrud Sahler eine Absage erteilen: Zum einen stieß sie sich daran, daß Schröder Termin und Teilnehmer des Gesprächs ohne Rücksprache festgelegt hatte. Zum anderen hielt sie den von Schröder vorgeschlagenen Teilnehmerkreis nicht für geeignet, das Entsorgungsproblem tatsächlich zu lösen (FR, 20.5.).

Steuer: "Nicht auf dem Marktplatz verhandeln"

In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau (25.5.) meinte EVS-Vorstandschef Wilfried Steuer anschließend: "Die Chancen, einen Konsens zu finden, sind größer, wenn wir im stillen Kämmerlein tagen und nicht auf dem Marktplatz. Außerdem müssen an einem solchen Gespräch alle Ministerpräsidenten beteiligt werden und nicht nur einer, und diese müssen die gefundene Linie dann auch in ihrer Partei durchsetzen können."

Nach Ansicht der tageszeitung (20.5.) hat Merkel das Angebot Schröders deshalb zurückgewiesen, weil sie sich am längeren Hebel sieht: "Gerhard Schröder, der einst aus der Atomproduktion aussteigen wollte und jetzt nur noch kleinlaut eine gerechtere Lastenverteilung bei der Entsorgung anmahnt, kommt langsam, aber sicher die Verhandlungsmasse abhanden. Daran allerdings ist der Niedersachse selbst schuld."

Die Hannoversche Allgemeine (20.5.) bedauerte Merkels Absage an Schröder: "Aus Merkels parteipolitischer Sicht mag das nachvollziehbar sein. Es zeigt aber auch, mit welch kleiner Münze gezahlt wird, wenn der Alltag die Politiker wiederhat und Gorleben-Demonstrationen, Tag-X und der größte deutsche Polizeieinsatz schon wieder Nachrichten von vorgestern sind."