Juni 1998

980613

ENERGIE-CHRONIK


Nukem widerlegt Sensationsberichte über ein angeblich vertuschtes Explosionsunglück

Die ARD-Sendung Bericht aus Bonn berichtete am 5.6. über einen angeblich vertuschten Explosionsunfall, der sich am 20.1.1987 auf dem Gelände des ehemaligen Brennelemente-Herstellers Nukem in Hanau ereignet haben soll. Auch die tageszeitung (8.6.) kolportierte unter der Schlagzeile "Nukem vertuschte Störfall - 300 Menschen verstrahlt" die Behauptung, daß damals eine Explosion die Schrottaufarbeitung der Nukem zerstört habe, wobei mindestens ein Beschäftigter verletzt und viele andere Personen kontaminiert worden seien. Grundlage der Vorwürfe war ein Gutachten der Gießener "Arbeitsgemeinschaft physikalische Analytik und Meßtechnik" (Arge PHAM), das von der Staatsanwaltschaft Hanau ursprünglich in einem anderen Zusammenhang angefordert und nunmehr den Medien zugespielt worden war. Der Nukem selbst waren diese spekulativen Behauptungen nicht mitgeteilt worden, obwohl das Gutachten bereits seit April 1997 vorlag.

Die heutige Nukem Hanau GmbH, die nicht mehr aktiv im Nukleargeschäft tätig ist, konnte schnell nachweisen, daß die Vorwürfe jeder Grundlage entbehren: So handele es sich bei Bauten, die nach Darstellung des Gutachtens angeblich 1987 zur Reparatur der angeblichen Explosionsschäden errichtet wurden, nachweislich um reguläre Baumaßnahmen aus früheren Jahren. Der Verletzte, der im Gutachten als Opfer des Explosionsunglücks in der Schrottaufarbeitung genannt wird, habe sich in Wirklichkeit bei Arbeiten an einer anderen Stelle am Schraubstock den Daumen aufgeschlagen, wie er selbst bestätige und wie aus den Unterlagen der Berufsgenossenschaft Chemie hervorgehe. Die angeblich stark erhöhte Zahl an kontaminierten Dosimetern, die es zum fraglichen Zeitpunkt bei der Nukem gegeben habe, erkläre sich ebenfalls aus dem dilettantischen Vorgehen der Gutachter, die nicht zwischen Mitarbeitern der Nukem und solchen aus anderen Firmen unterschieden hätten. Überhaupt sei es schwer vorstellbar, daß sich eine Explosion auf einem Betriebsgelände verheimlichen lasse, auf dem mehrere tausend Menschen arbeiten. Insgesamt könnten die Vorwürfe nur als "infam" bezeichnet werden. Die Firma hielt der Hanauer Staatsanwaltschaft vor, ihr mit der Zurückhaltung des Gutachtens und seiner Weitergabe an die Medien schwer geschadet zu haben. Sie erstattete bei der Frankfurter Staatsanwaltschaft Strafanzeige wegen Geheimnisbruchs, Weiterleitung eines vertraulichen Gutachtens und Veröffentlichung wahrheitswidriger Informationen (FR, 9.6. u.12.6.).

Auch das hessische Umweltministerium, der Atomexperte Michael Sailer vom Darmstädter Öko-Institut und der Leitende Oberstaatsanwalt beim Landgericht Hanau, Albert Farwick, bezweifelten die Explosions-Theorie der Gutachter. Das Wiesbadener Umweltministerium verzichtet schon seit 1993 auf die Dienste der Gießener Gutachter, weil ihm deren Methodik nicht geheuer ist. Außerdem führt es mit der Arge PHAM einen Rechtsstreit um eine Honorarforderung (FR, 9.6. u. 10.6.; Focus, 15.6.).