Juli 1998

980721

ENERGIE-CHRONIK


Kontroverse um angeblich zu hohe Grenzwerte für den Strahlenschutz

Das Risiko nuklearer Strahlung sei größer als bisher angenommen. Die zulässigen Grenzwerte müßten deshalb so schnell wie möglich drastisch herabgesetzt werden. Dies forderten der Münsteraner Strahlenbiologe Prof. Wolfgang Köhnlein und die beiden Münchener Professoren Edmund Lengfelder und Roland Scholz in einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (12.7.). Nach Feststellung des Vorsitzenden der Strahlenschutzkommission, Prof. Christoph Reiners, gibt es hingegen keine aktuellen Erkenntnisse, welche diese Forderung rechtfertigen würden. Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete die Äußerungen der drei Strahlenexperten als "nicht seriös". Wenn man den Grenzwert, wie verlangt, auf bis zu 0,15 Millisievert (mSv) senken würde, würde er in den meisten Gegenden Deutschlands bereits durch die natürliche Strahlung überschritten, so daß "80 bis 90 Prozent der deutschen Bevölkerung evakuiert werden müßten". Merkel verwies darauf, daß der Grenzwert für die Jahresdosis radioaktiver Strahlung im nächsten Jahr entsprechend einer geänderten Euratom-Richtlinie ohnehin von 1,5 Millisievert (mSv) auf 1,0 mSv gesenkt werden soll (Handelsblatt, 14.7.; FR, 14.7.).

In einem Interview mit dem Magazin Focus (20.7.) charakterisierte der Strahlenbiologe Horst Jung die "Deutsche Gesellschaft für Strahlenschutz", der die drei Professoren angehören, als politische Vereinigung mit dem Ziel des Ausstiegs aus der Kernenergie: "Sie publizieren ihre Zahlen nicht in wissenschaftlichen Zeitschriften, sondern in Presseerklärungen. Es ist ein Ärgernis, daß diese Außenseiter in den Medien mehr Resonanz finden als tausend seriöse Wissenschaftler."

Der Tagesspiegel (19.7.) bezweifelte ebenfalls die wissenschaftliche Seriösität der "Gesellschaft für Strahlenschutz" und die Frankfurter Allgemeine (15.7.) meinte: "Wer die Angst vor ionisierender Strahlung schürt, weil dies den eigenen Zielen zugute kommt, stellt seine moralische Glaubwürdigkeit in Frage. Dies gilt auch für Wissenschaftler."