Oktober 1998 |
981005 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die deutschen Kernkraftwerksbetreiber bestehen auf angemessener Entschädigung, falls sie durch die Politiker gezwungen werden sollten, Kernkraftwerke vor dem Ende ihrer technischen Betriebsdauer vom Netz zu nehmen. Zugleich warnen sie vor der Illusion, daß im Falle eines Ausstiegs die CO2-freie Kernkraft durch ebenfalls CO2-freie erneuerbare Energieträger ersetzt werden könnte.
"Wer schnell aussteigen möchte, der muß mehr Geld ausgeben. Wer sich Zeit läßt, der muß weniger bezahlen", umriß der Vorstandsvorsitzende der PreussenElektra AG, Hans-Dieter Harig, gegenüber dem Spiegel (44/98) die Position der Stromversorger bei den bevorstehenden Verhandlungen mit der neuen rot-grünen Bundesregierung. Noch vor Weihnachten sollen Experten eine exakte Kostenrechnung vorlegen - nach Harigs Worten "eine Art Warenhauskatalog, in dem jeder aussuchen kann, was er sich leisten will". Der PreussenElektra-Chef übernimmt im kommenden Jahr den Vorsitz im "Vorstandsvorsitzendenkreis der kernenergiebetreibenden Energieversorgungsunternehmen".
Der Vorstandsvorsitzende der Veba AG, Ulrich Hartmann, warnte vor dem Irrglauben, der Ausstieg aus der Kernenergie würde den Weg für erneuerbare Energieträger freimachen, die wie die Kernenergie keine CO2-Emissionen erzeugen. "Wenn wir Kernkraftwerke schnell ersetzen müßten, dann hätten wir dazu keine andere Möglichkeit als durch den Bau von Gas- und Kohlekraftwerken", sagte Hartmann am 21.10. auf der Herbstversammlung der Deutsch-Norwegischen Handelskammer in Essen. Der Ausstieg hätte zudem eine Ausweitung und Verteuerung von Stromimporten zur Folge, wobei der importierte Strom wiederum zum großen Teil aus ausländischen Kernkraftwerken stammen würde.
"Wir müssen - auch wenn es schwer fällt, den Primat der Politik akzeptieren", meinte Hartmann weiter. Positiv sei immerhin, daß über den geplanten Ausstieg mit der Stromwirtschaft verhandelt werden soll und sich diejenigen durchgesetzt hätten, die diese Verhandlungen ohne vorherige politische Festlegung von Fristen und Ausstiegszeitpunkten führen wollten (Handelsblatt, 22.10.; Tagesspiegel, 22.10.).
Für den Vorstandsvorsitzenden der
Energie Baden-Württemberg AG (EnbW), Gerhard Goll, ist es
"unstreitig, daß die Möglichkeiten regenerativer
Energien nicht einmal ansatzweise ausreichen, um herkömmliche
Kraftwerke zu ersetzen". Weiter meinte Goll in einem Interview
mit dem Magazin Focus (42/98): "Politik hat sich an Realitäten
auszurichten, und ich hoffe, daß dieser Gedanke auch für
künftige Regierungen gilt. Realität ist, daß wir
in Deutschland einen relativ hohen Anteil an Kernenergie haben,
der in absehbarer Zeit nicht zu ersetzen ist. Realität ist
ebenso, daß man seitens einer Regierung nicht einfach ein
Kraftwerk eines privaten Betreibers abschalten kann."