Februar 2000 |
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ENERGIE-CHRONIK |
Auf der Computer/Elektronik-Messe CeBIT, die vom 24.2. bis zum 1.3. in Hannover stattfand, haben die Energiekonzerne Veba und RWE sowie die Energie Baden-Württemberg (EnBW) und Siemens ihre jeweiligen "Powerline"-Projekte vorgestellt. Die Börse honorierte die Ankündigung weiterer Fortschritte bei dieser Technik wie schon bei der vorjährigen CeBIT (990331) mit deutlichen Kursgewinnen.
Mit "Powerline"-Techniken lassen sich Stromleitungen für Telefonie, Internet oder EVU-nahe Dienste wie Zählerablesung und Gerätesteuerung verwenden. Vor allem könnte auf diese Weise die "letzte Meile" zum Kunden ohne die Verlegung neuer Leitungen überbrückt werden. Für datenintensive Dienste müsste man der Niederspannung allerdings eine höhere Frequenz überlagern als derzeit zulässig ist. Zugleich ergeben sich große technische Probleme durch die Anforderungen an die elektromagnetische Verträglichkeit, da die Stromleitungen nicht abgeschirmt sind. Alle Projekte stecken derzeit noch im Versuchsstadium.
Wie die Veba am 22.2. mitteilte, hat ihre Tochter PreussenElektra in Barleben bei Magdeburg einen ersten Feldversuch zur Sprach- und Datenübertragung über Stromleitungen erfolgreich abgeschlossen. Die Testergebnisse in acht Haushalten hätten bewiesen, dass auf diese Weise Telefonie und Internet zusammen mit hinreichender Bandbreite betrieben werden können. Nach einer erweiterten Testphase mit mehreren hundert Haushalten sei bis Ende des Jahres die Markteinführung durch den Regionalversorger Avacon vorgesehen. Die technische Weiterentwicklung zur Marktreife werde dabei von einer Projektgesellschaft namens Oneline AG übernommen. Allerdings sei die Markteinführung "erst nach abgeschlossener Freigabe von Frequenzen und Grenzwerten für die Störstrahlung durch die Regulierungsbehörde möglich".
Bei der von der Veba entwickelten Powerline-Technik benötigt der Kunde eine sogenannte Oneline-Box, die sich im Zählerschrank unterbringen lässt. Sie ermöglicht es ihm, von jeder Steckdose aus zu telefonieren, ins Internet zu gelangen oder EVU-nahe Dienste zu nutzen.
RWE präsentierte auf der CeBIT ebenfalls Prototypen von Powerline-Modems, deren Datenübertragungsraten deutlich über dem ISDN-Standard liegen. Der Konzern arbeitet bei der Entwicklung dieser Technik mit der Schweizer Ascom zusammen und hat jetzt zusätzlich eine Kooperation mit dem südkoreanischen Systemanbieter Keyin Telecom vereinbart.
Parallel zur Präsentation auf der CeBIT startete RWE Energie einen Feldversuch in Essen, der bis Mitte des Jahres 200 Privat- und Geschäftskunden umfassen soll. Sie will damit die Erfahrungen vertiefen, die sie bei dem vorangegangenen Feldversuch in Leichlingen (990331) gesammelt hat. Vor allem geht es dabei um Probleme der elektromagnetischen Verträglichkeit, die der notwendigen Genehmigung von Frequenzen im Megahertz-Bereich im Wege stehen könnten.
Außerdem führt RWE Energie in Essen einen schmalbandigen Feldversuch mit dem System Darnet der Firma ABB durch, bei dem die relevanten Zählerdaten von 25 gewerblichen und privaten Kunden ausgelesen und täglich an eine Zentrale im nächsten Umspannwerk übertragen werden. Dieser schmalbandige Feldversuch nutzt ausschließlich die problemlosen Frequenzen des sogenannten Cenelec-Bandes (3 bis etwa 150 kHz). Er eignet sich aber wegen der geringen Daten-Übertragungsgeschwindigkeit nicht für anspruchsvollere Dienste wie Telefon und Internet.
Die Energie Baden-Württemberg (EnBW) und Siemens teilten am 9.2. mit, dass sie ein gemeinsames Unternehmen zur Entwicklung und Vermarktung von "Powerline"-Techniken gründen wollen. Die EnBW führt mit ihrer Telekommunikationstochter Tesion bereits seit September 1988 entsprechende Feldversuche in Herrenberg, Pfinztal und Sinsheim durch, in die derzeit über hundert Haushalte einbezogen sind. Sie hat dabei bisher auf die Powerline-Technik des kanadischen Telekommunikationsausrüsters Nortel Networks gesetzt (980513), der im März 1998 mit dem britischen Energiekonzern United Utilities die Norweb DPL zur weltweiten Entwicklung und Vermarktung dieses Verfahrens gründete. Im September 1999 hatte United Utilities dieses Gemeinschaftsunternehmen überraschend aufgekündigt. Zur Begründung hieß es, das Verfahren sei zwar erwiesenermaßen technisch durchführbar, doch verspreche es keine hinreichenden Gewinnaussichten.
Aus der Powerline-Technik zurückgezogen hat sich inzwischen auch die Berliner Bewag, die gemeinsam mit den Hamburger HEW und der Kölner GEW im September 1997 ein eigenes Projekt zur Datenübertragung über Niederspannungs-Energienetze (DüNE) gestartet hatte. Mit Wirkung vom 1. Oktober 1999 wurde die DüNE-Technik im Wege des Management-Buy-Outs den Erfindern zur weiteren Verwertung überlassen. Die Bewag begründete ihren Rückzug damit, dass sie sich auf ihre Kerngeschäfte Strom und Wärme konzentrieren wolle. Außerdem fehle es ihr an Erfahrung auf diesem speziellen Gebiet.