August 2000 |
000816 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die 1996 begonnene Deregulierung des amerikanischen Strommarktes beschert den Bürgern bisher statt sinkender Preise erhebliche Mehrbelastungen. So ist der Strom in New York um 43 Prozent teurer als vor einem Jahr. Im kalifornischen San Diego stiegen die Strompreise gegenüber 1999 sogar um das Zwei- bis Dreifache. Der Großhandelspreis für Elektrizität kletterte in den Staaten Louisiana, Mississippi und Arkansas seit 1997 um 216 %, in Texas sogar um 293 %. Besonders gravierend sind die finanziellen und technischen Probleme in Kalifornien, wo in diesem Sommer schon zweimal das Netz wegen Überlastung zusammenzubrechen drohte. Der kalifornische Gouverneur Davis hat eine Krisenkommission eingesetzt, welche die Folgen der Liberalisierung untersuchen soll. US-Präsident Clinton gab 2,6 Millionen Dollar für einkommensschwache Familien frei, die ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen können (FAZ, 5.8.; Wirtschaftswoche, 17.8.; Börsen-Zeitung, 16.8.; DPA, 23.8.; siehe auch 000722).
"Noch bevor die Liberalisierung in allen Landesteilen umgesetzt wird, ist sie bereits als gescheitert anzusehen", schreibt die Neue Zürcher Zeitung (17.8.). Die Misere sei eine direkte Auswirkung der Deregulierung: Um im Preiswettbewerb bestehen zu können, habe die Branche die notwendigen Investitionen in Kraftwerke und Netze unterlassen. Gleichzeitig sei die Nachfrage aber stark gewachsen, was neben einer Häufung von Stromausfällen zum sprunghaften Anstieg der Preise führte.
Nach Meinung der Frankfurter Allgemeinen
(24.8.) ist die "misslungene Deregulierung" in den USA
nicht vom Ansatz her falsch gewesen, sondern nur im Detail falsch
durchgeführt worden. Obwohl momentan das Gegenteil zu beobachten
sei, werde die Deregulierung auf lange Sicht auch in Kalifornien
zu niedrigeren Preisen, einem besseren Service und einer höheren
Verläßlichkeit der Lieferungen führen. "Nicht
Liberalisierung ist schlecht, sondern nur die schlechte Liberalisierung
taugt nichts."