Oktober 2001 |
011006 |
ENERGIE-CHRONIK |
Im Zuge seiner Ermittlungen gegen 22 Stromnetzbetreiber (010902) hat das Bundeskartellamt Mißbrauchsverfahren gegen die Bewag AG, die EnBW Transportnetze AG, die Hamburgische Electricitäts-Werke AG (HEW) und die VEAG Vereinigte Energiewerke AG eingeleitet. Nach Ansicht der Behörde gibt es bei den vier betroffenen Unternehmen "keinen nachvollziehbaren Bezug zwischen den tatsächlichen Beschaffungskosten und dem Preissystem für die Regelenergie". Es bestehe der Verdacht, daß sie ihren Wettbewerbern "unangemessene und zum Teil fiktive Kosten für die Ausgleichsenergie in Rechnung stellen". Infolge der unangemessenen Preise für die Regelenergie, die in die Netznutzungsgebühren miteingehen, würden konkurrierende Stromanbieter wie Enron und Lichtblick erheblich belastet.
Als positive Beispiele nennt das Bundeskartellamt in seiner Presssemitteilung vom 30. Oktober die Regelenergiesysteme, wie sie von RWE net (000713) und demnächst auch von E.ON Netz (010812) praktiziert werden und auch in Ländern wie Schweden und Norwegen üblich seien. In einer ersten Stellungnahme hätten die betroffenen Unternehmen sich darauf berufen, daß ihr Abrechnungssystem den Regeln der zweiten Verbändevereinbarung II (991201) entspreche. Kartellamtspräsident Ulf Böge lasse dieses Argument aber nicht gelten, sondern fordere die stromwirtschaftlichen Verbände auf, die VV II bei der anstehenden Neufassung (010503) entsprechend zu ändern: "Kartellrechtswidriges Verhalten kann nicht durch eine Verbändevereinbarung gerechtfertigt werden. Der Hinweis auf die Verbändevereinbarung zeigt vielmehr, daß dringender Handlungsbedarf besteht, im Rahmen der laufenden Modifizierung der VV Strom II kartellrechtskonforme Rahmenregeln für die Abrechnung von Regelenergie zu entwickeln."
Wie aus einem bereits veröffentlichten Grundsatzpapier (010404) hervorgeht, halten es die Kartellbehörden für ungerechtfertigt, daß gemäß Verbändevereinbarung II den Bilanzkreisen ein zusätzlicher Regelleistungspreis in Rechnung gestellt wird, sobald ihre Einspeisungen unter das sogenannte Toleranzband (plus/minus fünf Prozent des Sollwerts) absinken. Die Netzbetreiber hätten dadurch unbegründete Mehrerlöse, da ihre tatsächlichen Kosten für die Bereitstellung von Regelleistung aufgrund des Durchmischungseffektes sämtlicher Mehr- und Mindereinspeisungen im Netz geringer seien und sogar gegen Null tendieren könnten. Besonders behindernd sei diese Praxis für kleine Händler, die nur wenig Kunden zu einem Bilanzkreis zusammenfassen können.
Weiterhin wurde in dem Grundsatzpapier beanstandet, daß die Netzbetreiber einen Einspeisungs-Überschuß deutlich unter dem Marktpreis vergüten, während sie Fehlmengen deutlich über dem Marktpreis verrechnen. Stromhändler hätten dadurch von vornherein eine höhere Kostenbasis als integrierte Netzbetreiber/Lieferanten, mit denen sie konkurrieren.
Der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) hat sich am 30. Oktober gegen "pauschale Vorverurteilungen" durch die Kartellämter gewandt. "Die Stadtwerke lassen sich nicht in die Ecke der Wettbewerbsverhinderer drängen", erklärte VKU-Hauptgeschäftsführer Michael Schöneich. Zum einen beträfen die gegenwärtigen Ermittlungen nicht nur kommunale Netzbetreiber, sondern auch regionale und überregionale Stromversorger. Zum anderen seien die differierenden Netzkosten eine Folge der recht unterschiedlichen Strukturen von Netzen und Netzgebieten. Die "Kostenorientierung der Netzentgelte" sei eindeutig in der Verbändevereinbarung II geregelt, die im übrigen keine Richtwerte enthalte, obwohl dies immer wieder behauptet werde.