Januar 2002

020104

ENERGIE-CHRONIK


Enron-Skandal belastet auch US-Regierung

Der Zusammenbruch des US-Unternehmens Enron ( 011210), dessen Kerngeschäft der Stromhandel war, zieht immer weitere Kreise. Inzwischen scheint festzustehen, daß das Management jahrelang die Bilanzen geschönt, Schulden verschleiert und viel zu hohe Gewinne ausgewiesen hat, wobei es sich eines Geflechts von scheinselbständigen Firmen bediente. Besondere Brisanz erhält der Wirtschaftskrimi durch den Umstand, daß führende Enron-Manager rechtzeitig eigene Firmenaktien im Wert von ca. 1,1 Milliarden Dollar abstießen, bevor die Pleite nicht länger zu verheimlichen war, während 15000 ahnungslose Angestellte ihre Alterssicherung verloren, die sie in nunmehr wertlos gewordenen Enron-Aktien angelegt hatten. Inzwischen ermitteln die Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC), mehrere Kongreß-Ausschüsse und die Justiz. Das Vertrauen in die bisher als besonders streng und vorbildlich geltenden US-Bilanzierungsregeln GAAP ("Generally Accepted Accounting Principles") ist durch den Skandal ins Wanken geraten.

Darüber hinaus belastet der Skandal die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen, die bei der Prüfung der Enron-Geschäfte mehr als beide Augen zugedrückt hatte. Die Dienste des Wirtschaftsprüfers honorierte Enron allein im Jahr 2000 mit rund 52 Millionen Mark. Nun mußte Andersen zugeben, seit langem von der Schieflage Enrons gewußt zu haben. Dennoch - oder gerade deshalb - hatten Mitarbeiter von Andersen Tausende von Enron-Akten vernichtet, als der Skandal ruchbar zu werden begann. Die aus diesen Pflichtverletzungen resultierenden Schadenersatzansprüche könnten Andersen ruinieren. In jedem Fall haben sie das bereits angekratzte Ansehen der Wirtschaftsprüfer-Branche noch weiter ramponiert.

"Lex Enron" ließ Gewinne sprudeln

Noch größere Empörung herrscht in den USA über die nunmehr bekanntgewordenen Verfilzungen zwischen Enron und dem politischen Establishment. Vor allem die Republikanische Partei ist von Enron mit erheblichen Summen bedacht worden. Den inzwischen abgelösten Enron-Chef Kenneth Lay verbindet eine langjährige Freundschaft mit dem amtierenden US-Präsidenten George W. Bush. Nach Angaben der Bürgervereinigung "Common Cause" erhielten die Republikaner von 1991 bis Mitte 2001 insgesamt rund 3 Millionen Dollar an weich regulierten Spenden ("soft money contributions") von Enron. Hinzu kamen 666 000 Dollar hart regulierter Direktzuwendungen für die "Political action committees" (PAC) republikanischer Kandidaten. Auch Enrons Wirtschaftsprüfer Arthur Andersen begünstigte in ähnlicher Weise die Republikanische Partei durch Zuwendungen (siehe Übersicht).

Die Empfänger sollen sich für diese Zuwendungen erkenntlich gezeigt haben, indem sie beispielsweise im Dezember 2000 den "Commodity Futures Modernization Act" durch den republikanisch kontrollierten Kongreß brachten. Diese "Lex Enron" entzog den Handel mit Strom, Gas und ihren Derivaten weitgehend der sonst für Rohstoffe üblichen Aufsicht durch die Commodity Futures Trading Commission und verzichtete darauf, sie an einer Börse handeln zu lassen. Es begünstigte damit eine neue elektronische Handelsplattform, die Enron auf diesen Handel mit spekulativen Termingeschäften auf Rohstoffe und Energie zugeschnitten hatte (FTD, 16.1.).

Handelsplattform gehört jetzt UBS

Diese lukrative Handelsplattform, die neunzig Prozent der Enron-Gewinne erbracht haben soll, wurde im Januar von der Schweizer Investmentbank UBS Warburg erworben. Sie soll künftig unter dem Namen New Energy Trading Company firmieren. Anstelle eines Kaufpreises wurde vereinbart, daß UBS an Enron zehn Jahre lang Lizenzgebühren in Höhe von einem Drittel der Gewinne vor Steuern abführt (Handelsblatt, 15.1.)

Veba verhandelte 1999 mit Enron über eine Fusion

Wie die "New York Times" (27.1.) berichtete, verhandelte der Veba-Konzern 1998 und 1999 mit Enron über eine Fusion. Die Ergebnisse seien aber ergebnislos verlaufen. Der Vorläufer des heutigen E.ON-Konzerns habe die Gespräche auch wegen der "aggressiven Buchführungspraxis" und der hohen Schuldenlast von Enron abgebrochen.