Februar 2003 |
030207 |
ENERGIE-CHRONIK |
In einem seit acht Jahren andauernden Rechtsstreit hat der Bundesgerichtshof am 18. Februar entschieden, daß Gebietsabsprachen, die im Rahmen eines Liefervertrags für leitungsgebundene Energien getroffen werden, auch dann ein verbotenes Kartell darstellen können, wenn sie schon vor Inkrafttreten der Liberalisierung getroffen wurden .
Im vorliegenden Fall ging es um einen 1994 zwischen den ostdeutschen Gasversorgern Verbundnetz Gas AG (VNG) und Erdgasversorgung Thüringen-Sachsen GmbH (EVG) mit den Vorlieferanten der Wintershall-Gruppe vereinbarten Demarkationsvertrag. Der Demarkationsvertrag war ein wesentlicher Bestandteil der Vereinbarungen, mit denen damals die BASF-Tochter Wintershall und die Ruhrgas ihren ostdeutschen "Gaskrieg" beilegten (940213). Er verpflichtete die Ruhrgas-Ableger VNG und EVG zum Bezug bestimmter Mengen Gas von den Wintershall-Unternehmen Wingas und WIEH, während diese zusicherten, in dem Versorgungsgebiet von VNG und EVG - mit Ausnahme einiger bereits bestehender Lieferverträge - nicht geschäftlich tätig zu werden. Die Liefer- und Demarkationsverträge sollten für zwanzig Jahre bis zum 30. September 2013 gelten.
Solche Demarkationsverträge waren nach dem geltenden Energierecht damals grundsätzlich noch zulässig. Das Bundeskartellamt hatte den Demarkationsvertrag am 7. März 1995 dennoch für unwirksam erklärt, weil Wintershall und Ruhrgas über konkurrierende Leitungen zur Belieferung von Kunden verfügten. Denn Wintershall hatte fast parallel zur neuen Verbundleitung der Ruhrgas-Gruppe durch Thüringen und Sachsen ihre Erdgas-Pipeline "Stegal" mit Stichleitungen zu Großkunden gebaut (920909). Das von der Freistellungsregelung vorausgesetzte natürliche Monopol eines einzigen Netzbetreibers bzw. der Rationalisierungserfolg durch Vermeidung des Baues konkurrierender Leitungen sei damit nicht gegeben. Der Demarkationsvertrag bewirke lediglich die Unterbindung von Wettbewerb und Nachteile für die Kunden.
Das Berliner Kammergericht beurteilte den Sachverhalt allerdings anders und hob die Verfügung des Kartellamts am 14. Februar 1996 wieder auf (960203). Der daraufhin vom Bundeskartellamt angerufene Bundesgerichtshof gab der Beschwerde am 28. September 1999 statt und verwies den Fall an das Kammergericht zurück. Dieses entschied daraufhin zugunsten des Bundeskartellamts, wobei es die seit 1998 veränderte Rechtslage berücksichtigte. Gegen diese Entscheidung hatten VNG und EVG ihrerseits den Bundesgerichtshof angerufen.
In Übereinstimmung mit der Vorinstanz befand der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs jetzt, daß eine solche Vereinbarung - unabhängig davon, ob sie schon nach altem Recht als ein Mißbrauch der Freistellung anzusehen wäre - ein verbotenes Kartell darstellt. Sie widerspreche grundsätzlich der Zielrichtung des seit 1998 geltenden neuen Energierechts. Wettbewerbsbeschränkende Nebenabreden seien bei Gas-Lieferverträgen nur gestattet, soweit für sie ein berechtigtes Interesse bestehe. Dies sei hier aber nicht gegeben. Die Gebietsabsprachen seien für die abgeschlossenen Energielieferverträge nicht funktionsnotwendig. Zwar bestehe zwischen Gebietsabsprache und Mindestabnahmeverpflichtung ein Zusammenhang. Dies dürfe aber nicht dazu führen, daß die Gebietsabsprache hinzunehmen sei. Vielmehr werde unter Umständen die Mindestabnahmeverpflichtung von der Unwirksamkeit der Gebietsabsprache erfaßt.