Mai 2003 |
030505 |
ENERGIE-CHRONIK |
Im ungarischen Kernkraftwerk Paks kam es bereits am 10. April zu einem Störfall, der auf der internationalen Bewertungsskala INES in die Stufe drei ("ernster Störfall") eingeordnet wurde. Wie erst Anfang Mai bekannt wurde, waren bei der Reinigung von Brennstäben diese beschädigt worden und dadurch radioaktive Gase ausgetreten. Außerhalb des Kernkraftwerks sollen aber die zulässige Radioaktivitäts-Grenzwerte nicht überschritten worden sein. Am 3. Mai kam es im selben Reinigungsbehälter erneut zum Austritt von radioaktivem Gas, nachdem man versucht hatte, das im Reinigungswasser enthaltene radioaktive Jod durch Bindung mit einer Chemikalie zu entfernen. Die Wiederinbetriebnahme des zweiten Reaktorblocks mußte bis auf weiteres verschoben werden. In einem Untersuchungsbericht der Kraftwerksbetreiber und der ungarischen Atomenergiebehörde wird die französisch-deutsche Firma Framatome (010215) verantwortlich gemacht. Der Störfall ist demnach auf Planungs- und Konstruktionsfehler in den von Framatome gelieferten Kühl- und Kontrollsystemen für die Reinigungskammer zurückzuführen. (FAZ, 2.5. u.13.5.)
Am 12. Mai demonstrierten österreichische und ungarische Mitglieder der Umweltorganisationen Greenpeace und Global 2000 vor den Toren des Kernkraftwerks. Nach Angaben von Greenpeace ereignete sich der Störfall, als zu Testzwecken gleichzeitig dreißig anstelle von normalerweise sieben Brennstäben gereinigt werden sollten. Mit der geplanten Betriebszeitverlängerung der Reaktoren russischer Bauart stehe "das nächste unsichere Experiment" bevor. Greenpeace kritisierte ferner die "Desinformationspolitik" der Kraftwerksleitung sowie den Umstand, daß der ungarische Wirtschaftsminister gleichzeitig Eigentümervertreter wie oberste Kontrollbehörde sei.
Paks ist das einzige ungarische Kernkraftwerk. Es umfaßt vier Blöcke des russischen Typs WWER-440 mit einer Bruttoleistung von jeweils 460 MW, die in den Jahren 1982 bis 1987 in Betrieb gingen. Der zweite Reaktorblock, der jetzt wegen des Störfalls stillsteht, deckt rund zehn Prozent des ungarischen Stromverbrauchs. Nachdem in der zweiten Maihälfte wegen fälliger Wartungsarbeiten auch der vierte Block vom Netz ging, mußte rund ein Fünftel des ungarischen Strombedarfs aus anderen Quellen gedeckt werden.