April 2004

040411

ENERGIE-CHRONIK


Bewag verliert Berliner Senat als Kunden

Die Berliner Bewag verliert ihren ältesten und wichtigsten Kunden: Der Berliner Senat wird den zum Jahresende auslaufenden Stromliefervertrag nicht verlängern. Aus einer europaweiten Ausschreibung gingen stattdessen die deutsche Tochter der belgischen Electrabel und der Ökostrom-Anbieter Lichtblick als günstigste Lieferanten hervor. Der Senat hatte den Strombedarf von jährlich 900 Gigawattstunden in acht Losen für Hochschulen, Polizei, Gefängnisse, Wohnheime usw. ausgeschrieben. Für fünf der Lose, auf die annähernd zwei Drittel des gesamten Strombedarfs entfallen, bewarb sich erfolgreich Electrabel. Die anderen drei Lose gingen an Lichtblick. Insgesamt hatten zehn Bewerber Angebote vorgelegt, darunter auch die Bewag. Der Senat hatte zur Bedingung gemacht, daß der Strom nicht aus Kernkraftwerken stammen dürfe und die Art seiner Erzeugung nachgewiesen werden müsse.

Der neue Stromliefervertrag läuft über zwei Jahre. Die Stromrechnung des Senats, die in diesem Jahr für dieselbe Strommenge rund 92 Millionen Euro beträgt, wird im kommenden Jahr dennoch auf 101 Millionen Euro steigen. Der Grund dafür ist der allgemeine Anstieg der Strompreise, den alle Bewerber in ihren Angeboten einkalkuliert haben. (Berliner Ztg, 22.4.)

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di kritisierte den Wechsel und bezweifelte, ob der von Electrabel gelieferte Strom tatsächlich, wie in der Ausschreibung verlangt, nicht aus Kernkraftwerken stammen werde. Schließlich sei Electrabel Deutschland als Tochter des belgischen Electrabel-Konzerns direkt an dessen Kraftwerksportfolio angeschlossen, das zu siebzig Prozent aus Kernenergie bestehe. (taz, 23.4.)

Auch das Berliner Abgeordnetenhaus, das seit 1. April wie andere öffentliche Gebäude den Strom wieder von der Bewag anstelle von der EnBW bezieht (040314), wird damit erneut seinen Lieferanten wechseln.

Einst Verbundunternehmen - heute nur noch Vertriebsmarke

Die 1884 gegründete Bewag ist der älteste deutsche Stromversorger. Bis 1997 befand sie sich mehrheitlich im Besitz des Landes Berlin. Weitere größere Anteile besaßen PreussenElektra und Bayernwerk. Als Inselversorger für West-Berlin zählte sie zu den Verbundunternehmen, obwohl sie bis Anfang der neunziger Jahre netztechnisch nicht am Verbund teilnehmen konnte. Die 1997 privatisierten Landesanteile gingen zunächst an ein Konsortium aus Southern Energy (späterer Name: Mirant), PreussenElektra und Viag (970501). Nachdem PreussenElektra und Viag im E.ON-Konzern aufgegangen waren, verkaufte dieser sein Aktienpaket im August 2000 an den Vattenfall-Konzern (000801). Nach einem monatelangen Streit mit Mirant um die Vorherrschaft bei der Bewag (010401) erwarb Vattenfall auch die gleichgroße Mirant-Beteiligung und faßte das Berliner Stromunternehmen mit HEW, Veag und Laubag unter dem Dach der neuen Vattenfall Europe zusammen ( 020106 u. 020802). Die Bewag ist seitdem - ebenso wie die seit 110 Jahren bestehenden "Hamburgischen Electricitäts-Werke" (HEW), die ebenfalls zu den Verbundunternehmen gehörten - nur noch eine regionale Vertriebsmarke des Vattenfall-Konzerns. Anfang 2004 erhielten Bewag und HEW einen gemeinsamen Vorstand und verloren so ein weiteres Stück Selbständigkeit (031212).