April 2004

040413

ENERGIE-CHRONIK


Zwist beim "Spiegel" wegen Windenergie

Das Magazin "Der Spiegel" demonstrierte im April unfreiwillig, wie sich ein kontroverses Thema ganz unterschiedlich darstellen läßt. Der Anlaß war eine Titelgeschichte zur Windenergie, die am 29. März erschien. Sie richtete sich klar gegen die Windenergie und deren weitere Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das in derselben Woche vom Bundestag verabschiedet wurde (siehe 040401). Unter der Überschrift "Die große Luftnummer" hieß es als Fazit: "Quer durch die Republik wächst der Widerstand gegen die Verspargelung der Landschaft durch immer mehr Windräder. Ökonomisch macht ein weiterer Ausbau wenig Sinn: Er würde Milliarden an Fördergeldern verschlingen, der Nutzen für die Umwelt wäre gering."

Die Veröffentlichung führte zu einer redaktionsinternen Auseinandersetzung, weil die Redakteure Harald Schumann und Gerd Rosenkranz bereits im Oktober vergangenen Jahres einen umfangreichen Artikel zum gleichen Thema recherchiert und abgeliefert hatten. Dieser Artikel behandelte das Thema ebenfalls in "Spiegel"-typischer Manier, unterschied sich aber in der Tendenz diametral. Chefredakteur Stefan Aust hatte die Veröffentlichung damals abgelehnt. Er soll dies damit begründet haben, der Artikel sei "zu politisch" bzw. "gut und böse" seien darin "zu eindeutig verteilt".

"Spiegel"-Redakteur kündigt und veröffentlicht abgelehnten Artikel in der "Netzeitung"

Kurz nach Erscheinen der Titelgeschichte "Die große Luftnummer", die er als "Desinformation und Propaganda" empfand, kündigte Schumann nach siebzehn Jahren Redaktionszugehörigkeit. Der redaktionsinterne Zwist wurde damit publik. Auf Anfrage der "Netzeitung" widersprach Chefredakteur Aust dem Vorwurf, die innere Pressefreiheit zu gefährden: Zu personellen Fragen wolle er sich nicht äußern. Aber interne Kontroversen seien beim "Spiegel" üblich. Es gehöre auch grundsätzlich zu den Aufgaben der Chefredaktion, "unsinnige oder nicht der Realitätsprüfung standhaltende Geschichten nicht zu drucken".

Für Schumann entstand durch diese Aussage der Eindruck, "mein Kollege Gerd Rosenkranz und ich hätten zu diesem Thema 'Unsinn' abgeliefert, 'der nicht der Realitätsprüfung' standhält". Dies sei "nicht gerade die feine hanseatische Art", entspreche aber "leider dem Niveau, mit dem beim 'Spiegel' zur Zeit politische Kontroversen ausgetragen werden". Damit sich interessierte Leser und Kollegen selber ein Bild machen können, veröffentlichte er den seinerzeit abgelehnten Artikel über die Windenergie in voller Länge in der "Netzeitung".

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