Mai 2004 |
040501 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der Bundestag verabschiedete am 28. Mai das "Gesetz über den nationalen Zuteilungsplan für Treibhausgas-Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2005 bis 2007", das den von der Bundesregierung beschlossenen "Nationalen Allokationsplan" (040302) rechtlich verbindlich macht. Abweichend von der ursprünglichen Fassung, die Ende März der EU-Kommission vorgelegt wurde, enthält der jetzt beschlossene Zuteilungsplan zahlreiche Änderungen, über die sich die Koalitionsfraktionen kurzfristig verständigt hatten. Dabei handelt es sich vor allem um Härtefallregelungen, höhere Mindesteffizienzanforderungen an alte Kraftwerke und die Regelung des Reserve-Fonds. Der sogenannte Erfüllungsfaktor verringert sich dadurch von 0,9755 auf 0,9709 (siehe Wortlaut des Gesetzes).
Unmittelbar im Anschluß an das Zuteilungsgesetz billigte der Bundestag - in diesem Falle einstimmig und ohne Aussprache - einen zuvor im Vermittlungsausschuß erzielten Kompromiß zum Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG), das den rechtlichen Rahmen für das Zuteilungsgesetz bildet und bereits im März vom Bundestag beschlossen worden war (040301). Zuständig für den Vollzug der §§ 4 und 5 des TEHG sind demnach nun die Länderbehörden, welche die Anlagen auch auf die Einhaltung der Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu kontrollieren haben. Im Übrigen bleibt das Umweltbundesamt zuständig. Die bislang von der Regierungskoalition bestrittene Zustimmungspflichtigkeit des Gesetzes durch den Bundesrat wird in der Neufassung ebenfalls festgeschrieben. Sobald der Bundesrat den Kompromiß ebenfalls gebilligt haben wird, kann das TEHG in der geänderten Fassung in Kraft treten (siehe Wortlaut des Gesetzes mit Änderungen).
Das nunmehr verabschiedete Zuteilungsgesetz will die CO2-Emissionen von Energiewirtschaft und Industrie in der ersten Handelsperiode von 2005 bis 2007 auf 503 Millionen Tonnen begrenzen. Dies bedeutet eine Reduzierung um zwei Millionen Tonnen gegenüber dem aktuellen Stand. In "anderen Sektoren" soll eine Begrenzung auf 356 Millionen Tonnen erreicht werden. Insoweit hat sich an den ursprünglichen Vorgaben nichts geändert. Neu ist indessen, daß die "anderen Sektoren" nunmehr spezifiziert werden nach "Verkehr und Haushalte" (298 Millionen Tonnen) und "Gewerbe, Handel, Dienstleistungen" (58 Millionen Tonnen). Da das Gesetz selber nur die Zuteilung von Emissionsberechtigungen an Energiewirtschaft und Industrie regelt, bleibt offen, wie die genannten Begrenzungen in den anderen Sektoren in der Praxis eingehalten werden sollen.
Das Gesetz benennt zugleich Emissionsziele für die zweite Handelsperiode von 2008 bis 2012, die aber vor Erlaß des entsprechenden Zuteilungsgesetzes nochmals überprüft werden sollen. Demnach wird für Energie und Industrie eine Begrenzung auf 495 Millionen Tonnen anvisiert und für andere Sektoren von 349 Millionen Tonnen, wobei die in der letztgenannten Zahl enthaltene Minderung um sieben Millionen Tonnen ausschließlich durch Verkehr und Haushalte erbracht werden soll.
Wie schon beim Erneuerbare-Energien-Gesetz (040401) beantragten die Oppositionsparteien wegen der zahlreichen kurzfristigen Änderungen eine Vertagung der Abstimmung über den Gesetzentwurf, was die Regierungsmehrheit ablehnte. Faktisch ist das Gesetz mit seinen überaus komplizierten und verschachtelten Regelungen nur für wenige Spezialisten verständlich. Wie die CDU-Abgeordnete Marie-Luise Dött in der Debatte feststellte, ist das Gesetz handwerklich schlecht gemacht und wird zu juristischen Auseinandersetzungen führen. Die FDP-Abgeordnete Birgit Homburger charakterisierte das Gesetz als "bürokratisches Monster".
Schon am 30. März hatte die EnBW eine "eigentums- bzw. verfassungsrechtliche Prüfung" des Kompromisses zum Emissionshandel angekündigt. Sie störte sich insbesondere an den Paragraphen 10 und 15 des geplanten Zuteilungsgesetzes, welche die Betreiber von Kernkraftwerken gegenüber den Betreibern von Braunkohlekraftwerken benachteiligen und so zu einer Wettbewerbsverzerrung führen würden. Laut "Handelsblatt" (18.5.) richtete die EnBW einen entsprechenden Brief an das Bundeswirtschaftsministerium, indem sie sich über die Bevorzugung des RWE-Konzerns durch die jetzige Regelung beklagte. Der RWE-Konzern habe die Vorwürfe seinerseits in einem scharf formulierten Schreiben zurückgewiesen.
RWE Power hat am 10. Mai bei der Bezirksregierung
Düsseldorf den Genehmigungsantrag für ein neues Braunkohlekraftwerk
eingereicht, der im Februar wegen der Auseinandersetzungen um den Nationalen
Allokationsplan vorläufig zurückgestellt worden war (040201).
Der RWE-Konzern will 1,2 bis zwei Milliarden Euro in die Anlage investieren,
die ein oder zwei Blöcke mit einer Leistung von 1050 Megawatt erhält.
Das "Braunkohlekraftwerk mit optimierter Anlagentechnik" (BoA) erreicht
einen Wirkungsgrad von 43 Prozent und würde deshalb bei Ersetzung
alter Anlagen in besonderem Maße von Paragraph 10
des Zuteilungsgesetzes profitieren. Die endgültige Entscheidung über
den Bau dieser und anderer Anlagen will RWE jedoch erst treffen, wenn aufgrund
der politischen Rahmenbedingungen die Wirtschaftlichkeit und Investitionssicherheit
gewährleistet seien. (FAZ, 11.5.)