August 2004 |
040808 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die russische Regierung veröffentlichte im August eine Liste von 1063 Unternehmen, die ganz oder teilweise in staatlichem Besitz bleiben sollen. Sie konkretisierte damit ihre Politik der begrenzten Re-Nationalisierung von Wirtschaftsbereichen, die sich seit Oktober 2003 abzeichnete, als Präsident Putin den Chef des Erdölkonzerns Yukos, Michail Chodorkowskij, unter dem Vorwurf der Steuerhinterziehung festnehmen ließ. Der wirkliche Anlaß dürfte gewesen sein, daß Chodorkowskij mit US-Konzernen über deren Einstieg bei Yukos verhandelt hatte (siehe 031117).
Die jetzt veröffentlichte Liste umfaßt 515 staatliche Unternehmen und 549 Betriebe, an denen der Staat maßgeblich beteiligt ist. Ihre vollständige oder teilweise Privatisierung bedarf künftig einer besonderen Genehmigung durch den russischen Präsidenten. Zur Begründung heißt es, diese Unternehmen seien "von strategischer Bedeutung für die nationale Verteidigung, die Sicherheit oder den Schutz der Sittlichkeit, der Gesundheit, der Rechte und legitimen Interessen der Bürger der Russischen Föderation". (Berl. Ztg., 11.8.)
Im Energiebereich gehören der Erdgasproduzent Gazprom und der Pipeline-Betreiber Transneft zu den dauerhaft staatlich kontrollierten Unternehmen. Folglich bedürfte es nun auch einer besonderen Genehmigung des Präsidenten, falls die E.ON Ruhrgas AG ihren Anteil von 6,5 Prozent an Gazprom erhöhen wollte, wie dies in der Vergangenheit von russischer Seite gewünscht worden war. Wegen der expliziten staatlichen Vormundschaft über den Konzern wäre dies für E.ON nun allerdings noch weniger sinnvoll.
Bereits am 8. Juli unterzeichneten der E.ON-Konzern und der russische Staatsmonopolist Gazprom eine Absichtserklärung ("Memorandum of Understanding") über eine weitere Vertiefung ihrer Zusammenarbeit. Demnach wollen sie gemeinsam Vorhaben bei der Gasförderung in Rußland, dem Gastransport nach Westeuropa, der Stromerzeugung in Rußland sowie beim Ausbau der Infrastruktur zur Vermarktung von Erdgas und Strom in Europa verwirklichen. Herausragendes Projekt ist dabei der gemeinsame Bau einer neuen Gas-Pipeline durch die Ostsee, die bei Greifswald an der deutschen Küste anlandet. Von dort soll das Gas bis nach Frankreich und Großbritannien weitergeleitet werden.
Die Vereinbarung wurde von E.ON-Chef Wulf Bernotat und Gazprom-Chef Aleksey Miller (010615) am Rande eines Treffens von Bundeskanzler Schröder mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin unterzeichnet. Die Absichtserklärung zum gemeinsamen Bau einer Pipeline durch die Ostsee stand schon vor einem Dreivierteljahr anläßlich der damaligen deutsch-russischen Regierungskonsultationen auf dem Programm, war dann aber auf dieses Jahr verschoben worden (031009).
Gleichzeitig bemüht sich die BASF-Tochter Wintershall um die Pflege ihrer Beziehungen zum russischen Gasmonopolisten. Wenige Tage nach Unterzeichnung der Absichtserklärung zwischen E.ON und Gazprom teilte Wintershall am 12. Juli mit, der BASF-Vorstandsvorsitzende Jürgen Hambrecht habe in Moskau mit Gazprom-Chef Aleksey Miller vereinbart, "die Beratungen über den Ausbau der Kooperation in allen Bereichen fortzusetzen". Wintershall und Gazprom betreiben über das Gemeinschaftsunternehmen Wingas die Vermarktung und Verteilung von russischem Erdgas in Deutschland. Die Gesellschaft gehört zu 65 Prozent Wintershall und zu 35 Prozent Gazprom. An zwei weiteren Vertriebsgesellschaften für Osteuropa sind beide gleichberechtigt beteiligt. Im Juli 2003 gründeten sie außerdem eine gemeinsame Fördergesellschaft zur Erschließung eines Gasfelds in Westsibirien (030716).