Dezember 2004

041203

ENERGIE-CHRONIK


Monopolkommission rügt erneut Fehlentwicklung des Strommarktes

Bei einer öffentlichen Anhörung des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Arbeit am 29. November zum neuen Energiewirtschaftsgesetz kritisierte Prof. Martin Hellwig von der Monopolkommission erneut die Fehlentwicklungen auf dem deutschen Strommarkt seit der Marktöffnung. Sowohl das sogenannte Vergleichsmarktkonzept als auch eine an den tatsächlichen Netzkosten orientierte Berechnung der Netznutzungsentgelte seien ungeeignet, die bestehenden Wettbewerbsbehinderungen zu beseitigen. Die geplante Regulierungsbehörde müsse mit umfassenden Befugnissen zu einer Vorab-Genehmigung der Netzentgelte ausgestattet werden, einschließlich der Rückgängigmachung von bereits bestehenden überhöhten Preisforderungen.

Hellwig sprach bei der Anhörung als einer von acht "Einzelsachverständigen", wobei er insofern auch die Monopolkommission vertrat, als er sich auf deren Hauptgutachten "Netzwettbewerb durch Regulierung" (020702) und "Wettbewerbspolitik im Schatten 'Nationaler Champions'" (040701) stützte. In der Anhörung äußerten sich ferner insgesamt 14 Verbände, vom Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) bis zu Greenpeace (siehe Liste).

"Gesetzgeber leistete überhöhten Netzentgelten Vorschub"

Die jüngsten Strompreiserhöhungen wertete Hellwig als Symptom der Fehlentwicklungen auf dem deutschen Strommarkt seit der Marktöffnung. Man brauche sich indessen nicht "über Preiserhöhungen zu empören, wenn man es vorher versäumt hat, die richtigen Rahmenbedingungen für eine wettbewerbliche Entwicklung der Marktstrukturen zu setzen". Die Praxis des verhandelten Netzzugangs sei ungeeignet gewesen, überhöhte Netznutzungsentgelte und Behinderung des Durchleitungswettbewerbs zu verhindern. Die Bemühungen des Bundeskartellamts, überhöhte Netznutzungsentgelte zu ahnden, seien aufgrund von materiellen und verfahrensrechtlichen Schwierigkeiten gescheitert. Mit der Verrechtlichung der Verbändevereinbarungen (PB 030201) habe der Gesetzgeber "zu diesen Schwierigkeiten beigetragen und der Überhöhung der Netznutzungsentgelte Vorschub geleistet".

"Regulierungsbehörde muß willkürliches Kostenmachen verhindern können"

Umso wichtiger sei es, die Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes zu nutzen, um echten Wettbewerb zu ermöglichen. Das sogenannte Vergleichsmarktkonzept tauge dafür nicht, da die Netze den Charakter eines natürlichen Monopols hätten und es so gut wie keine vergleichbaren Märkte mit wirksamem Wettbewerb gebe. Es sei auch falsch, die von den Netzbetreibern genannten tatsächlichen Kosten als Berechnungsgrundlage für die Netznutzungsentgelte gelten zu lassen, weil dabei "Fragen der Effizienz bzw. der Mißbräuchlichkeit eines Kostenmachens zu Lasten der Durchleitungskunden ausgeklammert" würden. Die künftige Regulierungsbehörde müsse durch Effizienzstandards verhindern, daß die Unternehmen durch willkürliches Kostenmachen die Netzentgelte in die Höhe treiben. Ebenso müsse die Behörde bestimmen können, wie Fixkosten und Gemeinkosten zuzurechnen sind. Wichtig sei ferner ein umfassender Informationsanspruch der Behörde gegenüber den Netzbetreibern. Vor allem aber bedürfe es einer Vorab-Genehmigung der Netznutzungsentgelte durch die Regulierungsbehörde. Die von der Bundesregierung geplante Version einer befristeten Vorab-Genehmigung für Preiserhöhungen sei "insofern nicht sachgerecht, als jetzt schon bestehende Überhöhungen von Entgelten nicht erfaßt werden".

"Deutscher Strommarkt genauso manipulationsanfällig"

Hellwig plädierte dafür, das Marktgeschehen in der Stromwirtschaft in ähnlicher Weise einer permanenten Aufsicht zu unterstellen wie in den Finanzmärkten. "Die Gefahren der Preisvolatilität und Manipulationsanfälligkeit der Strommärkte sind in Deutschland nicht geringer zu veranschlagen als in anderen Ländern", meinte er mit Blick auf die kalifornische Stromkrise im Herbst 2000 (030410). Dies gelte insbesondere für die Strombörse und die Märkte für Regelenergie. Für die Zukunft sei "zu erwarten, daß die Märkte für Emissionszertifikate eine weitere Quelle der Preisvolatilität bilden und zusätzliche Manipulationsmöglichkeiten bieten." Nach Hellwigs Meinung müßte die Regulierungsbehörde auch befugt sein, bei bestimmten Preisausschlägen am Strommarkt (030804) den Ursachen nachzugehen und gegebenenfalls Manipulationen marktbeherrschender Anbieter zu ahnden.

Die derzeitige Formulierung der "Bedingungen und Entgelte für den Netzzugang" in § 21 des EnWG-Entwurfs ist nach Hellwigs Feststellung "kaum mehr als eine Lizenz zum Prozessieren". Beispielsweise vertrage sich die dort verlangte "kosteneffiziente Leistungserbringung" nicht mit der Zusage einer "Nettosubstanzerhaltung".

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