Juli 2002 |
020702 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Monopolkommission hält die bisherigen Regelungen des Netzzugangs in der Energiewirtschaft für wettbewerbsschädlich. Sie empfiehlt stattdessen die Schaffung einer allgemeinen Regulierungsbehörde für Netzsektoren. Die bereits bestehenden Regulierungsbehörden für Telekommunikation und Post sollen in diese neue Behörde einbezogen werden.
Am 8. Juli 2002 legte die Monopolkommission ihr Hauptgutachten für die Berichtsperiode 2000/2001 vor. Es trägt den Titel "Netzwettbewerb durch Regulierung". Ein Sonderkapitel dieses 14. Hauptgutachtens befaßt sich mit der Problematik der "natürlichen Monopole". Die Kommission entwickelt grundsätzliche Überlegungen und konkrete Vorschläge - vor allem mit Blick auf Energiewirtschaft und Bahn - , wie trotz dieser natürlichen Netzmonopole ein diskriminierungsfreier Wettbewerb in den nachgelagerten Märkten sichergestellt werden könnte.
Die gegenwärtige Situation sei unbefriedigend. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) verpflichte zwar in Paragraph 19 Abs. 4 Nr. 4 die marktbeherrschenden Unternehmen, etwaigen Wettbewerbern zu angemessenen Preisen Zugang zu ihren Netzen oder anderen Infrastruktureinrichtungen zu gewähren. Die Mißbrauchsaufsicht durch das Bundeskartellamt drohe aber an verfahrensrechtlichen Problemen zu scheitern. Dies gelte vor allem für die Netznutzung in der Stromwirtschaft. Das Gesetz biete keine Maßstäbe für die Angemessenheit von Preisen. Das Bundeskartellamt habe aber im Konfliktfall die Beweislast und müsse den Zugang zur Information über die Netzkosten erst gerichtlich erstreiten. Die derzeitige Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes mit dem Hinweis auf die Verbändevereinbarung als "gute fachliche Praxis" (020502) sei geeignet, diese Schwierigkeiten noch zu vergrößern.
Nach Ansicht der Monopolkommission bedarf die Netzzugangsgewährung der regulatorischen Intervention. Andernfalls könnten die Besitzer der wesentlichen Einrichtungen ihre Monopolsituation ausnutzen, um in den nachgelegenen Märkten den Wettbewerb zu behindern und die Leistungen zu verteuern. Korporatistische Lösungen nach Art der Verbändevereinbarungen tendierten dazu, den Wettbewerb durch nicht in die Verhandlungen einbezogene Dritte (ausländische Unternehmen, Handelsunternehmen) zu behindern. Soweit sie die Preissetzung selbst den Parteien überlassen, böten sie ähnlichen Spielraum zum Mißbrauch von Monopolmacht wie Einzelverhandlungen.
In ihrem Hauptgutachten befaßt sich die Monopolkommission ferner mit den Fusionen in der Energiewirtschaft: Die Genehmigung der Zusammenschlüsse von Veba und Viag (000306) und von RWE und VEW (000510) durch das Bundeskartellamt habe die Konzentration in der Stromwirtschaft bedenklich verstärkt. Der Versuch, durch wettbewerbspolitische Auflagen eine vierte große Kraft am Strommarkt zu schaffen (020106), sei bislang ohne erkennbaren Erfolg geblieben. Die Kommission sehe sich dadurch in ihrer Skepsis gegenüber Versuchen zur gestaltenden Steuerung der Industriestruktur durch die Wettbewerbsbehörden bestätigt.
Neben den horizontalen Zusammenschlüssen habe im Berichtszeitraum auch die vertikale Integration in der Energiewirtschaft zugenommen, vor allem durch zahlreiche Beteiligungen der Verbundunternehmen an Stadtwerken. Die Kommission befürchtet, daß die positiven Wirkungen der Energiemarktliberalisierung durch diese Form der vertikalen Integration unterlaufen werden, da die mit den Beteiligungen verbundenen Möglichkeiten der Einflußnahme zu einer Verschließung der Märkte führen könnten. Die betreffenden Beteiligungen lägen unter den Schwellenwerten des GWB bzw. die betreffenden Märkte fielen bei Einzelbetrachtung unter die Bagatellgrenze des GWB. Deshalb werde die wettbewerbspolitische Problematik dieser vertikalen Integration bisher kaum erfaßt.
Generell sieht sich die Kommission noch außerstande, ein wirklich umfassendes Bild von der Konzentration in der Wirtschaft zu liefern, wie sie es selbst seit langem gefordert hat und wie es durch die Novellierung des GWB zum 1. Januar 2001 ermöglicht wurde. Das Statistische Bundesamt sei bei diesbezüglichen Vorarbeiten bisher nicht über erste Tests zur Datenverknüpfung hinausgelangt. Es bleibe zu hoffen, daß der Auftrag des Gesetzgebers in Zukunft besser erfüllt werde. Die Gruppen- und Konzernbildung sei ein grundlegendes Organisationsprinzip der deutschen Wirtschaft, was unter anderem der Befund zeige, daß ca. 450.000 Unternehmen als kontrollierte Tochtergesellschaften zu Unternehmensgruppen gehören.
Die Monopolkommission ist ein Sachverständigenrat zur Begutachtung des Wettbewerbs. Ihre Zusammensetzung, Aufgaben und Befugnisse sind durch Gesetz bestimmt. Sie umfaßt fünf Mitglieder, die über besondere volkswirtschaftliche, betriebswirtschaftliche, sozialpolitische, technologische oder wirtschaftsrechtliche Kenntnisse und Erfahrungen verfügen müssen und auf Vorschlag der Bundesregierung durch den Bundespräsidenten für die Dauer von vier Jahren berufen werden.
Der gesetzliche Auftrag der Monopolkommission umfaßt die regelmäßige Beurteilung des jeweiligen Standes und der absehbaren Entwicklung der Unternehmenskonzentration in Deutschland, die Würdigung der Vorschriften über die Zusammenschlußkontrolle sowie Stellungnahmen zu aktuellen wettbewerbspolitischen Fragen. Die Kommission besitzt gegenüber Unternehmen kein Auskunftsrecht. Sie erstellt regelmäßig alle zwei Jahre über den vorangegangenen Zeitraum ein umfassendes Gutachten. Es wird der Bundesregierung zugeleitet, die es den gesetzgebenden Körperschaften unverzüglich vorlegt und in angemessener Frist dazu Stellung nimmt. Die Gutachten der Kommission werden veröffentlicht und damit ebenso wie die Stellungnahme der Regierung zum Gegenstand der parlamentarischen und der öffentlichen Diskussion. Über die regelmäßige Konzentrationsberichterstattung in den Hauptgutachten hinaus erstattet die Kommission Sondergutachten