März 2005 |
050302 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der Streit um die Mängel am Notkühlsystem des Kernkraftwerks Philippsburg 2 (050115) hat sich verschärft. Am 28. Februar wies das Bundesumweltministerium (BMU) die Stuttgarter Landesregierung an, den Reaktor abzuschalten, wenn die Energie Baden-Württemberg (EnBW) als Betreiber der Anlage nicht nachweisen kann, dass Störfälle hinreichend sicher beherrscht werden.
Sobald aufgrund neuer Erkenntnisse Zweifel an der Störfallbeherrschung auftauchen, muß die EnBW die Behörde benachrichtigen. Zudem ist ein Projektplan zur Nachweisführung oder zur Nachrüstung vorzulegen. Sollten die Zweifel binnen drei Monaten nicht beseitigt sein, ist die EnBW zur Betriebseinstellung verpflichtet. Die Beurteilung des Risikos erfolgt durch die Aufsichtsbehörde, die jenachdem die Anlage stilllegt oder die Frist verlängert.
Derartig einschneidende Auflagen sind bisher nur für das Kernkraftwerk Biblis A erlassen worden (031213). Die zuständigen Landesminister Mappus (Umwelt) und Pfister (Wirtschaft) folgten der Anweisung aus Berlin sichtlich widerstrebend. Mappus teilte am 10. März mit, daß in Philippsburg auch dann genügend Kühlmittel zur Verfügung stünde, wenn nur zwei der vier Notkühlsysteme funktionsfähig sind. Dies hätten inzwischen durchgeführten "genauere dynamische Berechnungen des Anlagenherstellers" sowie experimentelle Untersuchungen ergeben.
Die EnBW bezeichnete die Auflage als "eindeutig rechtswidrig und diskriminierend". Es gebe keinen sachlichen Grund für diese "gravierende Veränderung der Atomaufsicht, die zu massiven Einschränkungen des Leistungsbetriebs des Kernkraftwerks führen kann". Sie widerspreche auch dem 2001 vereinbarten Atomkonsens und gefährde diesen. Am 21. März reichte die EnBW beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zwei Klagen gegen die erlassenen Auflagen ein.
In seiner Pressemitteilung vom 28. Februar warf das Bundesumweltministerium der Stuttgarter Landesregierung vor, die bundesaufsichtliche Weisung erzwungen zu haben. Das für atomrechtliche Fragen zuständige Wirtschaftsministerium des Landes sei bereits am 16. Februar bei einem bundesaufsichtlichen Gespräch zu entsprechenden Maßnahmen aufgefordert worden. Am 25. Februar habe die Landesregierung jedoch ein solches Vorgehen wegen des angeblich hohen Haftungsrisikos abgelehnt.
"Eine Haftung für die Festlegung selbstverständlicher Rechtspflichten ist jedoch ausgeschlossen", erklärte das Bundesumweltministerium. "Die Haftung des Landes setzt einen Schaden des Betreibers durch eine Amtspflichtverletzung voraus. Im Falle der Auflage entsteht ein Schadenersatzanspruch nur, wenn das Land von der Fristverlängerung zur Nachweisführung zu Unrecht keinen Gebrauch macht."
Schon der mehrmonatigen Abschaltung des Kernkraftwerks Philippsburg im Jahr 2001 (011212), die Bundesumweltminister Trittin wegen mangelnden Sicherheitsmanagements durchsetzte, habe der damalige baden-württembergische Umweltminister Ulrich Müller ein angeblich bestehendes Haftungsrisiko entgegengehalten. Es sei "ein fatales Signal, wenn die zuständigen Minister die eigenen Aufsichtsbeamten mit dem ständigen Gerede von tatsächlich nicht bestehenden 'Haftungsrisiken' einschüchtern".